Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
durchsuchten das Wasser unter ihr. Was auch immer es war, es glitschte wieder vorbei, und sie schrie noch lauter; ihre Stimme hallte durch den Raum …
HILFE !
Und dann bemerkte sie noch etwas. Etwas noch Schrecklicheres als das, was unten im Wasser um sie herumschwamm. Es war die Farbe, die ihren Blick anzog, eine, die sie ihr ganzes Leben lang gehasst hatte. Für manche bedeutete sie Triumph, Mut und Bestimmtheit. Für andere Gefahr, Wut, Bosheit … Blut. Für sie war es seit der Nacht, in der ihre Mutter gestorben war, die Farbe von Alpträumen. Zuerst dachte sie, sie halluziniere. Angst konnte das bei Menschen auslösen, oder nicht? Ihr Bewusstsein spielte ihr bestimmt einen Streich. Aber als sie sich anstrengte, es noch einmal zu sehen, wurde ihr klar, dass sie recht hatte. Ihr Kleid. Nein … nicht ihr Kleid. Das von jemand anderem.
Warum?
Und warum hatten ihre Entführer sie nicht geknebelt?
Dafür gab es nur eine mögliche Erklärung.
Sie war an einem Ort, der zu abgelegen war, als dass man sie hören könnte.
16
Daniels blickte durch die offene Tür und hoffte, ein paar Minuten mit ihrem früheren Chef zu ergattern. Bright legte gerade auf, als sie ins Zimmer kam, nachdem sie angeklopft hatte.
Ellen Crawford lächelte, als sie hereinkam.
»Störe ich?«, fragte Daniels.
»Nein, wollte gerade gehen.« Ellen tat so, als würde sie auf die Uhr sehen. »Sobald Phil die Briefe unterschreibt, die schon seit Stunden auf seinem Schreibtisch liegen.«
Bright lächelte sie an. »Ich nehme nicht an, Sie könnten möglicherweise eine Tasse Tee für DCI Daniels organisieren, bevor Sie gehen? Und für mich auch, wenn das Wasser schon kocht; ich weiß, wie gern Sie den Planeten retten.«
»Ich bin Ihre Sekretärin, nicht Ihre Teeköchin.« Ellens Augen blitzten, warnten ihn, sein Glück nicht auf die Probe zu stellen. Aber sie lächelte, als sie sich zu Daniels umdrehte. »Wie ist er denn so? Es ist mir ein Rätsel, wie Sie es all die Jahre mit ihm ausgehalten haben!«
Bright kritzelte seinen Namen auf mehrere Dokumente. Als er sie Ellen zurückgab, glitt Daniels’ Blick über sie. Sie war eine Frau unbestimmten Alters; Mitte bis Ende vierzig, schätzte Daniels. Sie hatte den Körper von jemandem, der halb so alt war wie sie, gute Haut und perfekte Zähne, ihre eigenen und nicht aus irgendeinem Labor. Und tolles Haar, rot, wie es zu ihrem feurigen Temperament passte.
»Wie sieht’s aus mit dem Tee?« Bright machte eine bettelnde Geste. »Nur dieses eine Mal?«
»Schon in Ordnung, Ellen«, sagte Daniels. »Ich kann mir meinen Tee selbst aufbrühen, und er auch.«
Ellen fügte sich. »Milch, kein Zucker?«
»Sind Sie sicher?«
Die Sekretärin lächelte.
Daniels setzte sich, als sie den Raum verließ.
Bright begann zu sprechen, während sie die Tür schloss. »Was hast du, was ich nicht habe?«
»Dankbarkeit könnte helfen.« Sie grinste. »Funktioniert eigentlich immer, Chef.«
»Bist du weitergekommen? Adam wartet bestimmt schon dringend auf Nachrichten.«
»Nun, er wird enttäuscht werden.«
»Wie hält er sich?«
Daniels zuckte die Schultern. »Den Umständen entsprechend gut, nehme ich an.«
»Hat die Haus-zu-Haus-Befragung was ergeben?«
»Hast du gesehen, wo das war? Das liegt meilenweit vom nächsten Dorf entfernt, kein Nachbar in Sichtweite – tausende Hektar Land, von allen Himmelsrichtungen zugänglich. Ein verdammter Alptraum.«
»Ich meinte, um den Tatort herum.«
»Da ist es noch schlimmer! Offenes Land. Hoher Himmel. Schafe. Und sonst nicht viel. Den ganzen Weg von Greenhead im Westen bis nach Heddon-on-the-Wall im Osten gibt es kaum eine Überwachungskamera. Ich habe Beamte, die sich vor Ort auskennen und uns helfen, aber es wird nicht leicht werden. Es gibt nur vierzig Gebäude oder so in einem Umkreis von fünf Meilen. Manche davon sind verfallen. Ich lasse sie alle durchsuchen, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir da oben unsere Zeit verschwenden. Du weißt, dass es sich außerdem um militärisches Übungsgelände handelt?«
Sie wartete die Antwort nicht ab. »Das bedeutet Tiefflugübungen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Fluglärm – egal ob Flugzeug oder Hubschrauber – ist nichts, was den Anwohnern besonders auffallen würde.«
Daniels’ Blick fiel auf seinen neuen Schreibtisch und besonders auf seinen wertvollsten Besitz: eine Fotografie seiner verstorbenen Frau Stella, wie sie im Foyer des Malmaison-Hotels in der Stadt posierte. Sie trug Partyklamotten und
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