Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
aufhören, sie zu lieben, und wollte, dass der Schmerz nachließ.
Ein Schild wies nach links. Daniels nahm die Abfahrt auf die A1 nach Norden und hoffte, dass Gormley das Thema wechselte.
Er enttäuschte sie nicht. »Finch ist ein arrogantes Arschloch. Es überrascht mich nicht, dass er Feinde hat.«
»Geh mit ihm nicht so hart ins Gericht. Er steht dermaßen unter Druck, dass er wahrscheinlich die Hälfte der Zeit nicht weiß, was er sagt.«
»Mitgefühl steht im Wörterbuch zwischen Mist und Mittelohrentzündung.«
Sie grinste. »Versteh mich nicht falsch. Ich will damit nicht sagen, dass ich mich für ihn erwärmt hätte, aber ich finde, wir sollten ihm einen Vertrauensbonus geben, meinst du nicht?«
»Der Mann ist ein Arschloch, Kate.«
Gormley nahm seine Brille ab, steckte sie in seine Brusttasche und schloss die Augen. Gespräch beendet, zumindest für jetzt. Innerhalb von Sekunden begann er zu schnarchen. Er wachte nicht auf, bis sie zum Tanken bei Washington Services hielt. Sie aßen etwas auf die Schnelle, und die Stimmung zwischen ihnen taute etwas auf, dann setzten sie sich wieder ins Auto. Es herrschte ungewöhnlich wenig Verkehr, und sie kamen gut voran. In Corbridge bog Daniels nach Norden auf die A68 ab und kürzte über die Militärstraße ab, sodass sie High Shaw um drei Uhr fünfundvierzig erreichten.
14
PC Kevin Hook ging auf den Toyota zu, als Daniels auf dem einzigen freien Parkplatz hielt. Als sie ausgestiegen waren, händigte er ihr eine Nachricht des kriminaltechnischen Labors aus und blieb stehen, um weitere Anweisungen abzuwarten.
»Matt West hat gesagt, es sei nicht dringend, aber er wüsste es zu schätzen, wenn Sie ihn zurückrufen würden.«
Daniels dankte ihm und nahm sich vor, West bald zurückzurufen. »Was Neues von den Haus-zu-Haus-Befragungen, seit wir weggefahren sind?«
Hook schüttelte den Kopf. »So weit nichts.«
Gormley sprach über seine Schulter zurück, während sie weggingen: »Halten Sie uns auf dem Laufenden.«
Das Mordermittlungsteam erwartete sie, als sie High Shaw betraten. Mit der gesamten Mannschaft in dem kleinen Häuschen gab es nur Stehplätze. Sie warteten auf neue Anweisungen, das Stimmengewirr eines neuen Falls erfüllte die Luft. Robson hatte hart gearbeitet. Fotografien von Jessica Finch und Amy Grainger steckten auf dem Whiteboard, daneben standen die Details zu ihrer Person: Größe, Körperbau und Augenfarbe. Auf diese Bilder konzentrierte sich die gesamte Aufmerksamkeit, die Ähnlichkeit zwischen den beiden war geradezu himmelschreiend auffällig.
»Okay, hört alle zu!« Daniels setzte sich, umgeben von ihrem Team. »Es wird euch nicht entgangen sein, dass Amy Grainger Jessica Finch aufs Haar gleicht, was bedeutet, dass unsere Prioritäten sich geändert haben. Ich schlage in keinster Weise vor, dass wir Amy vergessen sollen. Das ist eine Mordermittlung, aber unsere erste Sorge muss es sein, Jessica Finch zu finden, so lange noch eine Möglichkeit besteht, dass sie am Leben ist.«
»Kannten sie sich?«, fragte Robson.
»Nicht nach den Aussagen beider Eltern«, sagte Gormley.
»Ja, aber was wissen Eltern schon?«, setzte Daniels hinzu. »Meine lebten auf einem anderen Planeten und hatten keine Ahnung, was mich umtrieb. So ist es sicher bei den meisten Kindern.« Ihr Blick fand Carmichael. »Lisa, wenn wir hier fertig sind, fahren Sie zur Universität, und finden Sie heraus, was Sie können. Ich brauche eine Adresse für Jessica, und ich brauche sie sofort. Ihr Vater dachte, sie wohnte im Studentenwohnheim, aber sie ist ausgezogen. Irgendjemand muss wissen, wo sie wohnt. Aber seien Sie vorsichtig, was Sie sagen. Wir wollen die Studenten nicht verschrecken.«
Daniels hatte schon an vielen aufsehenerregenden Fällen gearbeitet, aber dieser Modus Operandi erschien ihr irgendwie noch makabrer als alle anderen. Es war eine außergewöhnlich kaltherzige Methode, um jemanden in ein frühes Grab zu schicken, und in berechnender Absicht ausgeführt. Es erinnerte sie an Jonathan Forster, einen Serienmörder, der vor kurzer Zeit noch England terrorisiert hatte – als Abrechnung mit einer Mutter, die ihn misshandelt hatte. Er hatte viele Male getötet, ein geistesgestörter Psychopath; einmal hatte er einem Kleinkind eine Waffe in die Hand gegeben, sie auf den Großvater gerichtet und abgedrückt.
Genauso widerwärtig.
Daniels’ linke Hand strich über ihre rechte Schulter, die von derselben Kugel verletzt worden war, die von ihrem
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