Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
bekam aber keine. »Er hat mich und ein paar andere junge Bauern gefragt, ob wir was gesehen hätten, irgendwas Außergewöhnliches in den letzten paar Wochen.«
»Und haben Sie das?«
»Vielleicht.« Raine erinnerte sich seiner Manieren und nahm die Mütze ab. Er zerknüllte sie in seinen riesigen, schmutzigen Händen und fuhr fort. »Sehr früh an einem Morgen – ich meine wirklich früh –, bevor die Touristen normalerweise ankommen, hab ich diesen Wagen gesehen, der in Housesteads geparkt war, und niemand saß drin.«
»Wie lang ist das her?«
»Ungefähr drei Wochen.«
»Was haben Sie da oben gemacht?«
»Ich bin wegen der Schafe hochgegangen, wie jeden Tag. Als ich von der Weide nach unten kam, hab ich gesehen, wie ein Mann und eine junge blonde Frau sich stritten. Als sie mich gesehen haben, sind sie zum Auto zurückgerannt. Das war ganz dicht bei dem Ort, wo Billy gesagt hat, dass sie die Leiche eines jungen Mädchens gefunden haben.«
»Wer ist Billy?«
»Mein Cousin, der Polizist!« Raine machte ein finsteres Gesicht. »Hören Sie mir überhaupt zu?«
»Nachname?«
»Raine! Wie ich. Wir sind Cousins, schon vergessen?«
»Natürlich, wie dumm von mir.«
»Verarschen Sie mich? Weil, wenn das so ist, hab ich was Besseres zu tun.«
Robson fühlte sich schuldig und änderte sein Verhalten. Es war nicht Raines Problem, dass seine Karriere bei der Polizei sich in einer Abwärtsspirale befand, und er konnte sich ganz sicher keine Beschwerde leisten – besonders jetzt nicht. Er steckte sowieso schon in Schwierigkeiten, die ihn seinen Job kosten könnten, und die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen guten Ruf retten konnte, war, gelinde gesagt, gering.
»Es tut mir leid, ich hatte einen langen Tag. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
Raine nahm die halbherzige Entschuldigung an und sprach weiter. »Am Dienstag hab ich sie noch mal gesehen. Dasselbe Paar. Ich glaube, sie hatte sich verletzt, er half ihr nämlich über das Feld. Ich wollte ihnen helfen, aber der Mann winkte ab, da habe ich sie in Ruhe gelassen. Ich wollte mich nicht einmischen, ging mich ja nichts an, oder?«
»Wohl nicht«, sagte Robson. »Sicher, dass es Dienstag war?«
»Ja, es war Markttag in Hexham. Ich hab später auf dem Markt noch Vieh verkauft.« Raine schien keine Zweifel zu haben. »Wie schon gesagt, vielleicht bedeutet es nichts. Aber Billy meinte, ich sollte Ihnen Bescheid geben, nur für den Fall. Er hat gesagt, die Leute sollten sich Mühe geben und helfen, wo sie können.«
»Stimmt. Ich brauche Ihre Anschrift und Telefonnummer.«
Robson nahm seinen Stift in die Hand. Raine gab ihm seine Daten, und er schrieb sie auf, in der Hoffnung, dass er sich nicht so genervt angehört hatte, wie er war. In High Shaw allein gelassen zu werden, wenn dort kaum etwas passierte, entsprach nicht gerade seiner Vorstellung von Spaß. Ein Einheimischer, der nach Pferdescheiße stank, war der einzige Mensch, den er heute zu Gesicht bekommen hatte, abgesehen von PC Hook, der das Wohnmobil nebenan bemannte.
Und der war ein lästiges Arschloch!
Robson war ein Teamplayer, keine Ein-Mann-Band. Er hatte den ganzen Morgen vor sich hin gekocht, sich der Tatsache bewusst, dass er nur sich selbst für seine Lage verantwortlich machen konnte, dafür, dass er mit Pauken und Trompeten nach ganz unten in der Hackordnung der Mordkommission gerauscht war. Er hatte beim letzten Fall Fehler gemacht. Und als Daniels ihm eine zweite Chance gegeben hatte und danach eine dritte, was hatte er getan? Er hatte sie nach Strich und Faden verarscht, das hatte er getan!
Ein einst loyales Mitglied ihres Teams, war er sich nicht zu schade dafür gewesen, interne Informationen an den Assistant Chief Constable Martin weiterzugeben, eine Hassfigur in der Polizei Northumbria. Als Gegenleistung für sehr wenig – so schien es ihm damals zumindest – hatte ihm Martin die Anerkennung versprochen, die er innerhalb des Dezernats und darüber hinaus verdiente. Robson hatte sich nur deshalb einverstanden erklärt zu reden, weil seine Frau und sein neues Baby ein größeres Haus verdienten, ein neues Auto und Urlaub, was er sich auf keinen Fall leisten konnte, weil er sich beim Onlinepoker verschuldet hatte. Als Martin ihm also die »Überholspurbeförderung« versprach, hatte er die Gelegenheit beim Schopfe gepackt.
Kinderspiel.
Problem gelöst.
Nur dass Martin jetzt Geschichte war und Robson hängen gelassen hatte. Was zur Folge hatte, dass Robson sich für sein
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