Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
Verhalten rechtfertigen musste, während ihm seine Kollegen und seine Chefin misstrauten. Seine Kollegen waren gute Leute. Sie hatten keine Petze in ihrer Mitte verdient, die ihnen ihre schwere Arbeit noch schwerer machte. Wie er es auch drehte und wendete, er musste sich eingestehen, dass er es komplett vermasselt hatte. Dass er eine große Hypothek aufgenommen hatte, damit seine Frau nichts herausfand, war die schlechteste Entscheidung gewesen, die er je getroffen hatte. Und jetzt musste er dafür bluten.
Daniels hatte allen Grund, sich über ihn zu ärgern, aber sie hatte es gut aufgenommen.
Grundgütiger! Sie hatte sogar angeboten, ihm zu helfen!
»Wenn du am Boden bist«, hatte sie gesagt, »gibt es nur noch einen Weg, den nach oben.«
War da nicht etwas Wahres dran?
Robson überprüfte die Aussage, schob sie über den Schreibtisch und bat Raine, sie durchzulesen und das Protokoll zu unterschreiben, um zu bezeugen, dass es korrekt war. Aber der Junge hatte ihn nicht gehört, oder wenn doch, dann war er zu beschäftigt mit etwas, das vor dem Haus vor sich ging, um zu antworten. Robson sah aus dem Fenster. Er konnte nichts sehen, was ihn interessierte, nur Kilometer um Kilometer langweiliger Landschaft und im Süden einen dräuend grauen Himmel.
»Mr Raine?«
Raine wandte seine Aufmerksamkeit ihm zu.
Robson zeigte auf die Aussage. Der große Junge lehnte sich über den Schreibtisch. Nach einem Moment, in dem er das Dokument angeschaut hatte, kritzelte er seinen Namen auf eine Linie, die mit einem blauen Kreuz gekennzeichnet war. Dann stand er auf und fragte, ob er gehen könnte; das Tier auf dem Feld nebenan bräuchte ihn.
»Es könnte sein, dass wir noch einmal mit Ihnen sprechen müssen, Sir.« Robson bedankte sich bei dem Jungen, dass er gekommen war, und lächelte ihn zum ersten Mal an, seit er den Raum betreten hatte. »Sie haben nicht vor, in nächster Zeit Urlaub zu machen, oder?«
Der Junge schien verwirrt über die Frage.
Robson klopfte auf die Aussage. »Das hier könnte sehr wichtig sein oder aber völlig belanglos, aber wir werden dem nachgehen. Es war gut, dass Sie hergekommen sind.«
Raine setzte seine Mütze auf und wandte sich zum Gehen.
»Nur noch eins«, sagte Robson, bevor der Zeuge die Tür erreicht hatte. »Der Mann, den Sie gesehen haben? Er hat dem Mädchen ganz sicher geholfen und es nicht hinter sich hergezogen?«
»Es hätte beides sein können.« Raine dachte einen Moment lang nach. »Das war schwer einzuschätzen. Sie waren ziemlich weit weg, ich möchte mich nicht festlegen.«
22
Dr. Matthew West drehte seinen Stuhl so herum, dass er zum Fenster sah, und hielt das Telefon zwischen Wange und Schulter eingeklemmt, während er darauf wartete, dass Daniels abhob. Sein Büro lag im zweiten Stock des forensischen Labors, in dem er seit dreiundzwanzig Jahren als Staatsdiener arbeitete. Seit er die Universität mit einem erstklassigen Abschluss in Chemie verlassen hatte, hatte er keinen anderen Job gehabt. Er wollte auch keinen anderen. Er war glücklich damit, genau das zu tun, worin er gut war: Tatortuntersuchung und Analyse. Spurenmaterial, genauer gesagt. Er hatte sich bereits zum Abteilungsleiter hochgearbeitet und war inzwischen so geachtet in seinem Fachgebiet, dass er sogar Artikel und Bücher darüber veröffentlicht hatte.
Er hatte den Ehrgeiz, noch weiter zu kommen.
Matt sah sich in seinem Labor um. Kollegen in weißen Kitteln, manche mit Masken, andere ohne, saßen in Gedanken versunken an ihren Stationen, wo sie über mikroskopisch kleinen Stückchen von Glas, Farbe und Sprengstoff grübelten, um dann wiederum physikalische und chemische Eigenschaften exakt zu beschreiben oder eine von mehreren Datenbanken zu konsultieren, wenn die Identifizierung sich als schwierig erwies. Das Protokoll auf Matts Computerbildschirm war nur eine Seite lang, eine detaillierte Analyse von Spurenmaterial, das vom Absatz eines Schuhs stammte, den Amy Grainger an dem Tag getragen hatte, an dem sie gestorben war. Eine Analyse, die er zu einem späteren Zeitpunkt vor Gericht zu präsentieren hatte und zweifellos mündlich im Kreuzverhör würde verteidigen müssen.
Er war stolz darauf, vor Gericht als Experte aufzutreten.
Das Freizeichen in Matts Ohr hörte auf.
»Daniels.«
Matt lächelte. Sie war außer Atem. »Da ist aber jemand beschäftigt«, sagte er.
»Entschuldige, Matt. Hier geht es drunter und drüber. Sag mir, dass du gute Neuigkeiten hast.«
»Sagen wir’s mal so, du
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