Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
sprechen?«
»Das stimmt. Hey, soll mir recht sein. Aber das heißt nicht, dass es mich nicht interessiert, wie es dir geht.« Hör auf zu bohren. »Ich wollte nicht aufdringlich sein. Nur, nun, es scheint, als würden Kirsten und du jetzt ziemlich viel Zeit miteinander verbringen.«
»Kommt drauf an, was ziemlich viel ist …«
»Sie war gestern Abend hier!«
»Das ist ein Mal.«
Daniels grinste. »Letzten Dienstag, Mittwoch und Freitag.«
Jos Augen blitzten. »Du observierst mich? Weißt du, wie unsicher und schwach dich das aussehen lässt?«
»Mein Gott, bei dir hört sich das an, als würde ich dich stalken!«
»Tust du das?«
Daniels sah weg. Die Zimmertemperatur schien um mehrere Grad gesunken zu sein. Jo spürte es auch. Sie stellte den iPod ab, lehnte sich hinüber und schaltete einen Gasofen mit Flammeneffekten an, um die Kühle aus dem Raum zu vertreiben. Die Sonne würde später am Tag hineinscheinen, aber dann würde Daniels längst fort sein. Jo setzte sich gerade auf und wechselte schnell das Thema.
»Wie geht’s der Schulter?«, fragte sie.
»Gut.« Das war eine Lüge. Daniels zeigte auf das Besprechungsprotokoll. »Hast du es gelesen?«
»Ja, arme Amy … Gibt’s was Neues von Jessica?«
Daniels schüttelte den Kopf.
Jo schob einen Haufen Sonntagszeitungen auf den Boden und machte es sich bequem, wobei sie ein Bein über das andere schlug. Sie trug Flip-Flops. Ihre Zehennägel waren in einer Farbe lackiert, die genau zu der ihres Hemdes passte. Das konnte sie gut: Kleidung und Nagellack sorgfältig ausgesucht und mit Stil tragen, ohne es aussehen zu lassen, als hätte sie sich allzu viel Mühe gegeben.
Daniels drängte. »Erste Eindrücke?«
»Nicht gut, fürchte ich«, warnte Jo. »Wie du weißt, dient die Inszenierung eines Tatorts gewöhnlich dazu, auf ein falsches Motiv hinzuweisen. In diesem Fall scheint es mir, als hätte der Verbrecher genau das Gegenteil getan.«
»Ich stimme dir zu. Er versucht, Aufmerksamkeit zu erregen, statt von sich abzulenken. Und das tut er, um Adam Finch zu Tode zu ängstigen …« Daniels wiederholte, was sie bisher erfahren hatte, und erzählte Jo, dass auch sie ein ungutes Gefühl bei diesem Fall hatte. Der Verbrecher hatte einen hohen Aufwand betrieben. Er war sehr sorgfältig, hatte in Amy eine perfekte Doppelgängerin gefunden, sie in Jessicas Kleider gesteckt und sie an einem abgelegenen Ort abgeworfen, kilometerweit entfernt von zu Hause. »Damit war sein Auftrag erledigt: Finch ist in die schlimmstmögliche Ecke getrieben, musste im Leichenschauhaus eine Leiche identifizieren. Es war zwar nicht seine Tochter auf der Bahre, aber der Schlag hat gesessen. Er leidet weiter …«
»Was ist deine Meinung zum Motiv?«, fragte Jo.
»Es geht jedenfalls nicht um Erpressung, was unser Anfangsgedanke war, als wir noch dachten, das tote Mädchen wäre Jessica Finch. Bright hatte die Idee, dass ihre Entführer kalte Füße bekommen hätten und sie loswerden wollten, in der Hoffnung, an das Lösegeld zu kommen, bevor sie aufgefunden wurde. Aber das ist sinnlos, wenn wir es im Lichte dessen betrachten, was wir jetzt wissen. Nein, wer auch immer Jess entführt und Amy umgebracht hat, ist gefühllos und verabscheuenswert. Sie wollen, dass Finch so viel wie möglich leidet.«
»Ich glaube, du hast recht.«
»Ich glaube das auch. Die Frage ist, nehme ich vielleicht eine vollkommen falsche Perspektive auf den Fall ein?«
»Was meinst du damit?«
»Amy wurde irgendwo im Nirgendwo gefunden, richtig? Was, wenn unser Mann, gesetzt den Fall, es handelt sich um einen Mann, die Entdeckung durch einen Dritten manipuliert hat? Ich meine, er könnte Amys Leiche nah am Hadrianswall abgeworfen haben, nicht damit man sie nicht findet, sondern damit sie gefunden wird? Hört sich das für dich nicht nach einer Art makaberem Spiel an?«
»Doch, das tut es. Eines, das der Mörder gewinnen will.«
»Er ist das Risiko eines Mordes eingegangen, um Finch seine absolute Verachtung auszudrücken; um ihn zu bestrafen, nehme ich an. Wie mache ich mich bisher?«
Jo lächelte. »Habe ich irgendetwas dagegen gesagt?«
»Aber warum, Jo? Was sollte jemanden zu solchen Extremen treiben? Was für eine schreckliche Sache könnte Finch getan haben, um in seinem Peiniger solchen Hass zu schüren?« Daniels nahm sich kaum Zeit zum Luftholen. »Und noch was. Welcher Verbrecher, der was auf sich hält, würde ein sehr wertvolles Schmuckstück am Tatort zurücklassen?«
»Meinst du, es
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