Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
Die Tür ging auf, und Ellen kam herein. Merkwürdig, dass auch sie an einem Sonntag arbeitete. Jetzt wusste Daniels, dass etwas im Busch war.
»Ihr Wagen ist auf dem Weg, Phil.« Ellen legte eine gedruckte Notiz auf seinen Schreibtisch. »Und Ihr Termin in der Conradklinik ist bestätigt.«
Bright blitzte sie an.
Daniels beäugte ihren Boss. Ellen hatte ihn absichtlich bloßgestellt, nun musste er eine Erklärung abgeben. Ein Wochenendtermin in der namhaften Privatklinik, besonders am Abend, würde ihn nicht nur ein Heidengeld kosten, sondern ließ außerdem etwas Ernstes vermuten. Diese Annahme wurde von Ellens bekümmertem Gesichtsausdruck bestätigt. Sie ging rasch hinaus und ließ sie allein. Ein paar Minuten später begleitete Daniels Bright zu seinem Wagen und schalt ihn, weil er sie im Dunkeln gelassen hatte.
»Sicher, dass du nicht willst, dass ich mitkomme? Ich tue es gern.«
Er schüttelte den Kopf, stieg ins Auto und gab dem Fahrer Anweisungen, bevor er sich zu ihr umwandte. »Du hattest von Matt West gesprochen«, sagte er.
»Das kann warten, Chef. Ich rede morgen mit dir. Pass auf dich auf.«
Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber bevor er ein Wort herausbekam, schloss sie die Tür. Als das Auto abfuhr, rief sie Gormley an. »Hank, kannst du mich in einer halben Stunde bei mir zu Hause treffen?«
24
Ungefähr sechs Kilometer weiter aß Gormley mit seiner Frau und seinem Sohn zu Abend. Sie waren seit weniger als einer Woche wieder zusammen, und er vermutete bereits, dass dieser letzte Anlauf, ihre zerbrochene Beziehung zu reparieren, nicht funktionieren würde. Julie war verärgert über die Unterbrechung ihres Abendessens, aber die Dringlichkeit in Daniels’ Stimme hinderte ihn daran, das Telefon wegzulegen.
»Klar«, sagte er. »Was ist los?«
»Das sage ich dir, wenn du hier bist.«
Daniels legte auf, ohne zu merken, dass er in Gesellschaft war, was ihm sehr gut passte. Julies Entscheidung, ihrer Ehe noch eine Chance zu geben, war plötzlich gekommen, beinahe so plötzlich wie ihre Entscheidung, ihn zu verlassen. Er würde seine Stellung im Job nicht dadurch gefährden, dass er Daniels wissen ließ, dass seine familiäre Situation sich nicht mit einer Mordermittlung vertragen könnte.
Er sah Julie über den Tisch hinweg an. »Tut mir leid, Liebling, ich muss noch mal weg.«
»Um Gottes willen, Hank. Du bist gerade erst nach Hause gekommen.«
Julie ließ ihr Besteck klirrend fallen und blickte ihren Sohn an. Ryan hielt den Blick gesenkt und aß weiter. Während der nächsten fünf Minuten war er der Schiedsrichter über den Punktestand seiner Eltern, die beide zu dickköpfig waren, um nachzugeben.
»Und wo wir schon dabei sind«, sagte Julie, »vielleicht könntest du mir auch sagen, wo zum Teufel du gestern Nacht warst?«
Gormley wählte das Schweigen. Es war Julies Idee gewesen, es noch einmal zu versuchen. Sie hatte ihm versprochen, sich mit den Anforderungen seiner Arbeit zu arrangieren, nicht nur den beruflichen, sondern auch den sozialen. Und sie war jetzt schon dabei, ihr Wort zu brechen. Ryan hatte die Nase voll. Er murmelte etwas Sarkastisches über die wahre Liebe und verließ den Tisch, wobei er sein Essen mitnahm. Sie warteten schweigend, bis er aus dem Zimmer war, und sein Vater zuckte zusammen, als die Tür zuknallte.
»Bist du jetzt zufrieden?«, fragte Gormley und schob seinen Teller von sich.
Er stand vom Tisch auf, zog seinen Mantel über und ging.
Ein Ansager im Fernsehen warnte vor Überschwemmungen infolge des heftigen Regens in Cumbria. Es geschah schon das dritte Jahr in Folge. Überall im Land hatten Hauseigentümer – von denen manche gerade erst in ihre Häuser zurückgezogen waren nach den Verheerungen des vorigen Jahres – erneut Schäden zu erleiden. Hunderte von Menschen lebten in Notunterkünften, ihre Häuser, Schulen und Geschäfte versunken unter beinahe einem Meter Wasser.
Gormley schüttelte den Kopf, dachte traurig an den Tod von PC Bill Barker, jenes heldenhaften cumbrischen Beamten, der sein Leben gelassen hatte, als im Jahr 2009 die Northsidebrücke in Workington zusammenstürzte. Er hatte versucht, andere zu retten, indem er Autofahrer von der Brücke weglenkte, als in den angeschwollenen Fluss gefallene Zementbrocken ihn mit sich rissen. Viele hatten wegen seiner Tapferkeit überlebt.
Der Mann war ein Held.
»Die müssen sich doch fragen, ob es jemals vorbei sein wird«, sagte Gormley.
»Schrecklich, oder?« Daniels kam ins
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