Ich will vergelten: Thriller (German Edition)

sich zu einem psychedelischen Strudel, der dann plötzlich stillstand und sie torkelnd seitwärts stolpern ließ.
    Die Hand eines Mannes fing sie am Ellbogen auf und zog sie zur Seite. Sie kämpfte, um sich zu befreien, aber es war zwecklos. Plötzlich kam der Boden auf sie zu.
    Dann wurde es schwarz um sie herum.

50
    Das Zirp-Zirp und die Vibration eines Handys wurde lauter und lauter, je länger es klingelte. Daniels öffnete langsam die Augen und versuchte, den Schlaf abzuschütteln. Sie lag reglos im Dunkel und versuchte zu verstehen, was sie da hörte.
    Ein Licht blinkte …
    Der Lärm ging weiter.
    Und plötzlich war sie hellwach.
    Sie drehte sich im Bett um und griff nach dem Handy, das über den Rand des Nachttischs verschwand und mit einem harten Schlag auf den Boden knallte. Sie stützte sich auf die Ellbogen, knipste das Licht an und fragte sich, wer sie wohl um zehn nach drei Uhr morgens anrief. Der Kontrollraum rief sie normalerweise über das Festnetz an.
    Carmichael!
    Nein. Der Anzeige zufolge war es DC Brown.
    »Boss, wir haben ein Problem. Lisa geht es schlecht …« Er hörte sich verzweifelt an, als er ihr eine Adresse in der Nähe gab. »Das ist ihre neue Wohnung. Sie müssen sofort kommen!«
    »Bin auf dem Weg.« Daniels legte auf.
    Sie hatte vergessen, dass Carmichael umgezogen war. Sie war bei einer Tante aufgewachsen, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Sie waren beim Skiurlaub in Frankreich unter einer Lawine begraben worden, als sie gerade mal drei Jahre alt war. Sie hatte kürzlich die sinkenden Immobilienpreise genutzt und sich – als Erstkäuferin mit festem Job – unabhängig gemacht.
    Bitte, lieber Gott, lass sie in Ordnung sein.
    Daniels sprang aus dem Bett, wobei ihr Herz klopfte und ihre Fantasie raste. Nachdem sie ihr Haar zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, zog sie sich schnell an: ein Paar alter Jeans und den ersten Pulli, den sie zu fassen bekam, Turnschuhe. Dann nahm sie ihre Lederjacke vom Sitz des Motorrads und verließ das Haus, froh, dass sie auf dem Weg von der Küste nach Hause den Toyota aufgetankt hatte. Der Tank war praktisch bis auf den letzten Tropfen leer gewesen.
    Oben an der Osborne Road bog sie an der Einmündung links ab und gab Vollgas, dann fuhr sie am Blue-House-Kreisverkehr geradeaus weiter, um das Town Moor herum. Abgesehen von ein paar Taxen gab es kaum Verkehr und, so weit sie sehen konnte, nur einen Fußgänger. Die Ampel vor ihr stand auf Grün. Sie bog rechts ab und fuhr an einer Reihe vornehmer Häuser vorbei, einer Ladenzeile, und dann fuhr sie links auf die Kenton Lane, trat aufs Gaspedal, wobei sie ständig auf die Geschwindigkeitsanzeige sah. Fünfzig, fünfundsechzig, achtzig, neunzig … Sie fuhr jetzt leicht bergauf und beschleunigte weiter, und plötzlich tauchte ein Fahrzeug mit Blaulicht und Sirene in ihrem Rückspiegel auf.
    Scheiße!
    Der Streifenwagen überholte sie schnell mit blinkendem Blaulicht. Vor ihr bremste er ab, wobei HALT ! POLIZEI auf dem Dach aufleuchtete. Daniels fuhr an den Straßenrand, in der Hoffnung, dass es sich um jemanden handelte, den sie kannte. Sie versuchte, sich eine mögliche Entschuldigung dafür auszudenken, dass sie in einer Wohngegend zu schnell gefahren war. Kam aber auf keine.
    Sie saß niedergeschlagen da und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad des Toyota, wobei sie auf die Bremslichter des Streifenwagens starrte.
    Carmichael.
    »Nun mach schon«, murmelte Daniels leise. Der Verkehrspolizist stieg nicht aus. Er machte offenbar eine Fahrzeugüberprüfung. Daniels beugte sich vor und nahm ihr Polizeifunkgerät aus dem Handschuhfach. Sie stellte es an und bekam gerade noch mit, wie ein dringender Notruf aus der Nachbarschaft durchkam.
    »Kontrollraum an alle Einheiten. Polizeibeamter braucht Unterstützung, Stamfordham Road.«
    Zwei Einheiten antworteten sofort: »3398, Byker … 3467, Gosforth, auf dem Weg.«
    »Kontrollraum an alle Einheiten …« Wieder das Funkgerät, das den Ruf wiederholte. »Polizeibeamter braucht Unterstützung, Stamfordham Road.«
    Der Verkehrspolizist hörte den Funkspruch auch und antwortete: »5547 … Kenton Lane.«
    Daniels tat dasselbe: »7824 … ebenfalls Kenton Lane.«
    Im Wagen vor ihr sah der Verkehrspolizist rasch in den Rückspiegel, stellte dann seine Sirene an und fuhr davon. Daniels folgte ihm und blieb bis zum Gasthaus »Crofters Lodge« dicht hinter ihm. Sie schossen um einen dicht befahrenen Kreisverkehr herum, und Daniels