Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
sich, welche Folgen es haben würde, wenn sie vergangene Torheiten siebzehn Jahre nach dem Geschehen ausgraben würde; seinen Job zu verlieren würde ihn völlig vernichten. Die Enthüllung würde den untadeligen Ruf besudeln, den aufrechtzuerhalten Adam Finch so wichtig war. Zwei Männer würden vernichtet. Gute Männer, im Großen und Ganzen, die bereits so viel verloren hatten. Und dann war da noch Jessica. Arme, liebe Jessica. Was würde diese Art Enthüllung ihr antun, wenn sie jemals gefunden würde?
WENN war so ein großes Wort.
Es war schon dunkel. Die Straße war voller Leute, die in die Stadt wollten, um auszugehen. Ein Taxi schoss auf der Außenspur vorbei, hinten saßen ein paar leicht bekleidete, scheinbar angetrunkene Frauen. Daniels konnte selbst einen starken Drink gebrauchen. Sie stieß Gormleys Arm an, als sie an der Station ankamen; er grunzte und sah sich um, während sie darauf wartete, dass die Schranke hochging.
Er streckte die Arme über dem Kopf und gähnte. »Hast du Zeit für was auf die Schnelle, oder musst du direkt nach Hause?«, fragte er.
»Kannst du das anders ausdrücken?« Daniels schaffte es zu grinsen, schnallte sich ab und öffnete die Wagentür. »Ich melde mich nur zurück, dann gehe ich. Ich will ein langes, heißes Bad und einen großen Whisky. Und das ist nur der Anfang, nach so einem Tag. Und du?«
Sie stiegen aus dem Wagen und gingen auf den Hintereingang der Station zu.
»Ich werde Carmichael anrufen. Dann will mich Julie zu Hause haben.«
»Guter Plan.«
Es hörte sich an, als stünden die Dinge bei ihm zu Hause etwas besser. Gormley tat sein Bestes, und seine Frau konnte nicht mehr verlangen. Daniels zog ihren Ausweis an der Hintertür durch. Sie gingen nach oben und den Flur zur Einsatzzentrale entlang. Sie wollte gerade hineingehen, als Gormley zögerte und sie zwang, sich umzudrehen.
Er sah ihr tief in die Augen, wie ein besorgter Freund, und sagte: »Wenn du dich aussprechen willst, dann weißt du, wo ich bin. Aber tu nichts Übereiltes, ja?«
Sie wusste, wovon er sprach, sagte aber nichts dazu. Drinnen ging Gormley zu seinem Schreibtisch, während sie die Fallwand absuchte. Es waren keine neuen Ereignisse aufgelistet, also ging sie direkt zu Naylors Büro, klopfte vorsichtig an die Tür und wartete. Sie hörte, wie seine Stimme sie hereinrief, und spürte Gormleys Unruhe klar und deutlich über den gesamten Raum hinweg.
Er wollte nicht, dass sie da reinging.
Sie ließ die Klinke los und wandte sich ab.
49
Das »Fuse« war der angesagte Club: Dort ging man hin, wenn man an der Durham University studierte. Auf der Bühne spielte eine Band, drei Männer, die standen, und ein asiatisches Mädchen am Schlagzeug, für eine wohlwollende Menge. DC Lisa Carmichaels Kopf dröhnte, während die Musik durch den Raum hallte. Sie konnte ihre eigene Stimme nicht hören, als sie einen Wodka Tonic bestellte, ganz zu schweigen von der Antwort der Barkeeperin, als sie sich über die Bar zu ihr beugte.
Superintendent Naylors Anweisungen waren sehr klar gewesen. »Passen Sie sich an. Schließen Sie Freundschaften. Halten Sie sich an die Mädchen mit wenig Geld. Halten Sie Augen und Ohren offen. Lassen Sie sich nicht ablenken oder in etwas anderes verwickeln als das, weshalb Sie dort sind. Und halten Sie Kontakt zu Ihrer Verstärkung. Sie sind hauptsächlich wegen der Prostitutionsgeschichte dort, aber wenn Sie zufällig auf unseren Mann stoßen, dann spielen Sie nicht die Heldin, kapische?«
Carmichael lächelte.
Naylor war nett, wirklich attraktiv, sogar sexy – auf diese Art, auf die alle mächtigen Männer sexy waren. Oder waren das reiche Männer? Nein, reiche Männer waren niemals hässlich, so hieß die Redensart doch, oder? Nicht, dass sie das glaubte. Außerdem gab es andere Arten, hässlich zu sein, als ein hässliches Gesicht zu haben. Prominente hatten heutzutage Mordsegos. Wenn sie mit Schönheiten durch die Welt zogen, die halb so alt waren wie sie, dachten die ernsthaft, dass diese Frauen sie wegen ihrer inneren Werte liebten? Und was war mit den Frauen selbst? Sie wachten neben einem faltigen alten Sack auf und verbrachten dann Stunden damit, jedem seiner Worte zu lauschen. Das war schlicht und einfach Prostitution, wenn man Carmichael fragte. Als sie von ihrem hohen Ross in Form des Barhockers herunterkletterte, verschüttete Carmichael aus Versehen den Drink des älteren Mannes, der neben ihr saß – eines entschieden angenehmeren Mannes, als es die
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