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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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das was sie gesagt haben, so eine Tracht Prügel kassiere, hätten sie bestimmt ihren Mund gehalten. Aber so endete fast jeder Elternabend. Bettarrest konnten sie mir ja nicht geben, da ich saubermachen und auf meine Geschwister aufpassen mußte, wenn Mutti und Pappa arbeiten waren.
    Eines Tages, als ich aus der Schule kam und die Haustür aufschloß, hörte ich Mutti schreien. Sie mußte heute ihren freien Tag haben. Ich trat ein und registrierte, daß die Stimmen aus dem Kinderzimmer kamen. Ich ging sofort hinein, um zu schauen was los war. Auf dem Sofa saß Ralf, vor ihm stand Mutti und schrie ihn an. Nach den Wortfetzen, die ich mitbekommen habe, mußte Ralf sie angelogen haben oder sowas. Auf jeden Fall mußte es gleich krachen, daß es nur so knallt. So war es dann auch. Mutti rannte in die Küche und holte einen Kochlöffel, kam damit ins Kinderzimmer gestürmt und schlug auf Ralf ein. Als der Kochlöffel abgebrochen war, war es ihr noch nicht genug und sie ging in die Küche und holte einen neuen. Den schlug sie auch auf Ralf kaputt und den dritten ebenfalls. Dann schlug sie noch drei, vier Mal mit der Hand zu und verschwand aus dem Kinderzimmer. Ich stand fassungslos da, aber einmischen konnte ich mich nicht, sonst hätte ich auch noch Dresche bekommen. Ralf lag vorm Sofa, total verkrümmt. Ich ging zu ihm hin und da sah ich erst, daß er aus einer Kopfwunde und aus der Nase blutete. Ich half ihm auf die Beine und ging mit ihm ins Badezimmer. Dort wusch ich ihm das Blut aus dem Gesicht und schaute mir seine Kopfwunde an. Sie war zwar halb so schlimm, aber trotzdem fand ich es nicht richtig von Mutti so zuzuschlagen. Da wir noch ein wenig Jod im Alibertschrank hatten, und ich wußte, daß das gut ist wenn man es auf eine Wunde tut, machte ich etwas davon auf einen Wattebausch und drückte es Ralf auf die Wunde. Er zuckte kurz zusammen, aber er wußte ja, daß ich ihm nicht weh tun wollte. Ralf tat mir richtig leid, und ohne daß ich es merkte, stieg in mir eine Wut gegen Mutti auf, die aber bald wieder verflogen war. Am Abend, als Ralf und ich zu Bett gingen, musterte ich seinen Körper als er sich ausgezogen hatte. Überall auf dem ganzen Körper zeigten sich nun blaue Flecken, und ich dachte mir, daß Ralf fürchterliche Schmerzen haben muß. Ralf ging zu Bett, aber er sagte mir trotzdem nicht, warum er diese Abreibung bekommen hatte. Nach ein paar Tagen war die Sache auch schon wieder vergessen.
    Ich kam eines Tages von der Schule nach Hause, und als ich die Tür aufschloß, sah ich Mutti am Eßtisch sitzen und weinen.
    Ich dachte mir gleich was nun schon wieder passiert sein mag.
    Sie hat sich bestimmt wieder mit Pappa gestritten oder so etwas. Aber dem war nicht so.
    Ich ging an den Tisch und fragte Mutti, warum sie denn weine. Sie gab mir keine Antwort im ersten Moment, aber als ich sie dann nochmals fragte, sagte sie: »Ich habe Daniela halb totgeschlagen.«
    Ich bekam einen Kloß im Hals und fragte Mutti: »Wo ist Daniela jetzt?«
    »Im Schlafzimmer.«
    Ich ging sofort ins Schlafzimmer, und da saß Daniela vor dem großen Spiegel und jammerte vor sich hin. Es war ein mitleiderregendes Bild, wenn man das kleine Geschöpf so dasitzen sah. Als Daniela mich sah, streckte sie mir ihre Arme aus und ich ging auf sie zu und nahm sie in die Arme. Sie fing gleich an richtig loszuweinen, und ich streichelte ihr über ihr blondes Haar.
    Als Daniela fertig war, also besser gesagt aufgehört hatte so stark zu weinen, schaute ich sie mir genauer an. Sie hatte ein anlaufendes Auge, was sehr verdächtig nach einem Veilchen aussah. Dann noch einen Abdruck von fünf Fingern im Gesicht. Naja, halbtot hatte sie Daniela nicht geschlagen, aber sehr gut sah das auch nicht gerade aus, was sie da gemacht hatte, sie konnte doch so ein kleines Mädchen nicht einfach mit solch einer Wucht ins Gesicht schlagen. Ich ging mit Daniela ins Bad und cremte ihr das Gesicht mit Niveacreme ein und versprach ihr, daß das im Gesicht bald wieder weg sei, ich hatte ja schon meine Erfahrung mit blauen Flecken. Sonst hatte Daniela nichts. Ich ging zu Mutti und sagte ihr, daß es halb so schlimm sei, sie hätte Daniela nicht halb totgeschlagen, aber trotzdem täten die Flecken im Gesicht nicht gerade gut aussehen. Sie hörte darauf auch auf mit Heulen und so war der Fall dann für sie erledigt. Ich hoffte halt nur, daß Mutti das einmal eine Lehre gewesen ist und sie in Zukunft etwas humaner draufschlägt. Aber das half bestimmt auch

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