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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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Bescherung an, die Pappa da angerichtet hatte. Mir saß der Schreck in den Knochen und ich brachte noch immer keinen anständigen Satz zusammen. Pappa hatte einen riesigen Stein durch den Rolladen ins Zimmer geworfen.
    Die Scheibe war total im Eimer und der Rolladen war auch kaputt. Als Mutti dann aus dem Fenster schaute, stellte sie fest, daß von Pappa keine Spur mehr war. Er war wie vom Erdboden verschluckt.
    Kurze Zeit später hörten wir Polizeisirenen und dann stand die Polizei auch schon vor der Tür. Einer der Nachbarn mußte sie alarmiert haben, denn wir hatten noch kein Telephon in unserer neuen Wohnung, obwohl Mutti sofort eins anschaffen wollte. Die Polizei fragte zuerst, ob sie einen Krankenwagen rufen sollten, da Mutti verletzt worden ist. Mutti lehnte es ab mit der Begründung, es sei ja nur eine Schramme. Dann fragte die Polizei Mutti, wie das passiert sei, und ob sie den Übeltäter kenne.
    Mutti erzählte dem Polizisten alles, wobei der immer fleißig mitschrieb. Für mich war das sehr interessant, denn mit der Polizei hatte ich das erste Mal zu tun gehabt, also ich hatte mit denen ja nichts zu tun, aber es war halt das erste Mal, daß ich einen Polizisten so nah vor mir sah. Am meisten imponierte mir an dem Polizisten seine Pistole. Als der Polizist mit Mutti fertig war, fragte ich ihn, ob seine Pistole echt ist oder auch nur eine Spielzeugpistole, so wie ich eine habe. Er versicherte mir, daß sie echt ist, nahm seine Pistole aus dem Halfter, entfernte das Magazin, und gab sie mir in die Hand, weil ich ihn gefragt hatte ob ich sie mal kurz halten darf. Das Ding war bedeutend schwerer als meine Spielzeugpistole. Ich gab ihm sein Schießeisen wieder zurück und war stolz, daß ich mal eine echte Pistole in der Hand halten durfte. Der Polizist wechselte noch ein paar Worte mit Mutti und verließ dann die Wohnung.
    Mutti hatte sich wieder total gefangen und fing gleich an, die Scherben zusammenzukehren, und dabei belegte sie Pappa mit einigen interessanten Schimpfwörtern, die ich gleich in mein Schimpfwörterlexikon aufnahm.
    Das war schon eine ganz nette Bescherung, wir sind ja erst vor ein paar Tagen hier eingezogen und schon ist die Hölle los, da muß ein Außenstehender so wie z. B. die Nachbarn sich ja schon seinen Teil denken. Als wir dann aufgeräumt hatten, gingen wir alle wieder ins Bett, denn es war jetzt ja schon fast ein Uhr vorbei.
    Am nächsten Morgen rief dann Mutti beim Nachbarn gleich den Glaser an, damit er die Fensterscheibe ersetzt. Dann noch den Handwerker, damit der Rolladen auch repariert wird.
    Innerhalb von zwei Tagen war dann wieder alles in Ordnung, die Scheibe und der Rolladen waren repariert und das Leben ging normal weiter. Von Pappa hörten wir die ganze Woche gar nichts, erst dann wieder gegen das Wochenende.
    Er kam im Anzug am hellichten Sonntagnachmittag und klingelte an der Haustüre. Mutti fragte ihn, was er wolle. Pappa antwortete ihr darauf durch die noch immer geschlossene Tür:
    »Ich will die Kinder besuchen und mit dir vernünftig reden. Ich mache kein Radau und wenn du sagst, ich soll die Wohnung verlassen, dann werde ich auch sofort gehen, und außerdem muß ich noch ein paar Kleider von mir mitnehmen.«
    Mutti machte ihm die Türe auf, und er trat in die Wohnung.
    Pappa begrüßte uns und fragte nur, wie es uns geht.
    Dann setzte er sich an den Eßtisch im Flur und fing mit Mutti an zu reden. Mutti schickte uns in die Zimmer, denn wir sollten von dem Gespräch anscheinend nichts mitbekommen. Wir verzogen uns gleich und schlossen die Türe, so wie es uns Mutti befohlen hatte.
    Mutti und Pappa sprachen eine ganze Weile miteinander, bis Pappa auf einmal ins Zimmer kam, um sich bei uns zu verabschieden. An der Haustüre standen zwei Koffer, die er wahrscheinlich mitnehmen wollte. Er schnappte die zwei Koffer und verließ die Wohnung. Als er sich verabschiedete, hatte er Tränen in den Augen und als er mich dann noch umarmte, tat er mir irgendwie leid.
    Mutti erzählte uns am Abend, daß sie sich mit Pappa darauf geeinigt habe, daß er uns alle zwei Wochen besuchen darf.
    Mutti ging nicht arbeiten, sie holte das Geld vom Sozialamt.
    Das Geld reichte aber nicht, wie sie immer sagte war es viel zu wenig.
    Pappa kam zwei Wochen später tatsächlich wieder zu Besuch, und ich freute mich richtig darüber, was ich aber niemals Mutti hätte sagen dürfen, da sie ja sowieso immer sagte, ich sei Pappas Liebling. So vergingen etliche Wochen, aber das Geld langte nicht

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