Ich wollte Liebe und lernte hassen
abgehackte Hand. Ich schrie auf, als ich das sah, und Mutti und Pappa krümmten sich vor lauter Lachen. Ich fing sofort an zu weinen und sie brauchten eine ganze Weile, um mich wieder zu beruhigen. Dann zeigten sie mir die Hand, sie war aus Gummi, aber sie sah so täuschend echt aus, daß ich sie auch für echt hielt. Ich konnte die ganze Nacht nicht mehr schlafen vor lauter Gummihand und manchmal hatte ich sogar später, also in anderen Nächte, Alpträume deswegen. Das ließ später dann nach, aber ich erinnere mich heute noch daran. Nun ging das Leben weiter und Mutti wollte wieder arbeiten, da sie nicht zu Hause rumsitzen wollte, und am liebsten hätte sie sich wieder selbständig gemacht, wie sie sagte.
Nun waren schon fast zwei Monate vergangen, seit wir das VFB-Heim aufgegeben hatten. Dann eines Abends beim Essen, als auch Pappa dabei war, gabs für uns eine Mitteilung. Man eröffnete uns, daß wir ein neues Lokal übernehmen werden, aber nicht in Villingen, sondern in Orsingen in der Nähe von Stockach. Das Lokal hieß Gasthaus Kreuz und sollte größer sein als das VFB-Heim. Das Lokal sollte uns aus allen finanziellen Schwierigkeiten heben und uns später sogar wohlhabend machen, meinte Mutti. Pappa und Mutti hatten mittlerweile eine ganze Menge Schulden, und sie mußten ja etwas dagegen unternehmen.
Diesmal bestellten wir für den Umzug keinen Möbelwagen, sondern Pappa wollte einen kleinen Lkw mieten und den Umzug selber machen. Pappa und ich tapezierten die ganze Wohnung neu, und dabei stellte ich mich nicht gerade professionell an und es gab ganz schön Ärger, denn Pappa regte sich immer auf, wenn jemand etwas falsch machte. Ab und zu setzte es auch mal eine Ohrfeige, denn er meinte, ich mache meine Fehler mit Absicht. Um das Tapezieren kamen wir nicht rum, denn im Mietvertrag stand, daß wir die Wohnung sauber tapeziert hinterlassen müßten. Als wir damit fertig waren, räumte ich mit Mutti einen Tag vor dem Umzug die ganzen Schränke aus und verstaute das Zeug in Kartons.
Zum Glück waren Schulferien und ich hatte genug Zeit.
Dann kam der große Tag. Pappa ging zur Lkw-Vermietung und holte den Lastwagen ab. Als er wiederkam, brachte er noch einen Freund mit, damit die Arbeit schneller ginge. Der Wagen war sehr schnell beladen und wir fuhren dann zu dritt in Richtung der neuen Heimat.
Ich hatte das neue Haus noch nicht gesehen, denn es war ja ein ganzes Haus, da die Wohnung über der Gaststätte lag. Wir fuhren in Orsingen ein und es stank entsetzlich nach Kuhmist.
Orsingen war also nur ein kleines Dorf, und es stank auch noch fürchterlich dort.
Pappa fuhr direkt zu dem Lokal, das wir übernehmen sollten.
Es war ein großes, altes Haus und es lag genau an der Hauptstraße. Pappa schloß die Türe auf, die als Eingang für das Lokal genutzt war. Das Lokal war riesig, es hatte ungefähr fünfzig bis sechzig Sitzplätze, eine große Theke und es war noch viel Platz. Die Küche war auch nicht gerade klein, und dann war da sogar noch ein Aufenthaltsraum für das Personal.
Wir gingen in den ersten Stock hoch und ich war ganz überrascht, was ich da alles sah. Dort waren drei große Zimmer, ein riesiger Tanzsaal, der aber nicht mehr in Betrieb war, und ein großer, geräumiger Hausflur.
Dann gingen wir hoch auf den Speicher. Der war ebenfalls enorm groß und ging bis unter den Giebel. Es waren da zwei extra große Dachkammern abgeteilt und in einem Leinen gespannt, der als Trockenraum für die Wäsche galt. Wir gingen nun ganz hinunter in den Keller, auch der war von riesigem Ausmaß. Mir fiel gleich auf, daß es keine Zentralheizung gab, sondern Kohlenfeuerung, für die einzelnen Zimmer gab es Elektro-und Ölöfen.
Als wir das ganze Haus besichtigt hatten, fingen wir an, den Lkw zu entladen. Mir lief der Schweiß gleich literweise runter, so legte ich mich ins Zeug. Das Ganze war eine verfluchte Knochenarbeit, und ich hoffte, daß sich das alles rentieren würde für die Zukunft.
Als wir die letzte Fuhre in Orsingen abgeliefert hatten, fuhren Pappa, sein Freund und ich alleine nach Villingen zurück.
Wir gingen noch mal in unsere alte Wohnung und machten die Böden sauber und räumten alles weg, was nicht mehr in die Wohnung gehörte. Dann übergaben wir dem Hausbesitzer sämtliche Schlüssel, und der war überhaupt nicht begeistert, da wir ja noch ein paar Monatsmieten im Rückstand waren. Aber Pappa versicherte ihm, daß er so bald wie möglich das Geld bringen würde, und wenn es nur
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