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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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nichts anrührte. Nach dem Frühstück brachte Pappa Mutti wieder ins Bett. Mutti tat mir richtig leid, und ich glaube an diesem Tage haßte ich Pappa sogar ein wenig, denn jedesmal wenn er etwas zu mir sagte, gab ich ihm nur eine kurze Antwort, also das, was nötig war, und keine Silbe mehr. Wenn er dann wieder aus meiner Reichweite ging, war ich froh, ihn nicht mehr zu sehen.
    Wir brachten an dem Tag die Wohnung auf Hochglanz. Pappa machte das Mittagessen, aber er holte Mutti nicht an den Tisch, denn sie brauchte den Schlaf, damit sie wieder auf die Beine kam. Jedesmal wenn Pappa mich sah, hielt er mir die Scheißlottozahlen vor, die ich am gestrigen Abend nicht aufgeschrieben hatte. In mir kochte es vor lauter Wut, aber ich traute mich nicht, was zu sagen oder mich gegen Pappa aufzulehnen.
    Pappa ging dann am Montag wieder zur Arbeit, als wenn gar nichts passiert wäre. Zum Glück hatte Mutti sich wieder so weit erholt, daß wenn man sie ansprach, sie wieder voll darauf reagierte. Meine beiden Brüder gingen zur Schule, nur ich blieb von der Schule weg, es war ja nur für einen Tag, denn ich hatte noch Angst um Mutti. Wer weiß, dachte ich, wenn ich von der Schule komme, finde ich sie vielleicht tot vor – so verrückte Gedanken hatte ich. Mutti erholte sich dann schnell wieder, und sie mußte mir versprechen, daß sie nicht noch mal so einen Blödsinn macht. Aber ich konnte dem Frieden nicht so ganz trauen, denn sie hatte es schon einmal versprochen, und trotzdem wieder getan. Die Angst vom letzten Selbstmordversuch war schon lange verflogen gewesen, aber jetzt war sie wieder da und noch viel schlimmer als beim ersten Mal. Denn ich war jetzt alt genug und ich glaubte nicht mehr an den Weihnachtsmann und was man mir so alles erzählte.
    Mein Bruder Uwe hatte die Angewohnheit, bei mir im Zimmer rumzuschnüffeln. Ich sagte ihm öfters, daß er das lassen sollte, und wenn ich ihn nochmal erwische, würde ich ihm eine runterhauen. Zwei Tage später fand ich ihn wieder, wie er in meinem Schrank rumwühlte, als wenn es seiner wäre.
    Ich ging hin und sagte, er soll das wieder aufräumen. Er meinte dazu nur, es sei doch nicht sein Schrank und ich könnte selber aufräumen. Er brachte mich damit so in Wut, daß ich ihm tatsächlich eine schmierte, da ich ja sowieso immer Ärger mit Mutti hatte, weil mein Schrank nie aufgeräumt sei. Er rannte gleich zu Mutti und erzählte ihr, ich hätte ihm grundlos eine gescheuert. Mutti glaubte das sogar und sagte mir, daß sie es am Wochenende Pappa erzählen würde. Jeder Versuch, ihr zu erklären, warum ich ihm eine geklebt hatte, schlug fehl.
    Natürlich hatte ich jetzt schon Muffe vor dem Wochenende.
    Ich dachte nur noch an das verdammte Wochenende und was da wieder los sein würde. Pappa kam dann am Freitag nach Hause, und so wie es aussah, hatte er eine Stinkwut im Bauch.
    Mutti erzählte ihm natürlich gleich, daß ich Uwe eine gescheuert hatte und Pappa rief mich zu sich ins Wohnzimmer.
    Er fing gleich an: »Was habe ich da zu Ohren gekriegt, du terrorisierst deine Brüder und vor allen Dingen Uwe, der ist doch gerade der Schwächste? Stimmt das, was ich da gehört habe?« »Nein, ich habe Uwe nur eine geschmiert, das ist alles.« »Du sollst deinen jüngeren Brüdern keine hauen, im Gegenteil, du sollst sie beschützen.« Pappa ging auf mich zu und dabei zog er den Hosengürtel ab, und ich wußte, was jetzt auf mich zukam. Pappa versohlte mir den Arsch gründlich, und ich mußte versprechen, daß ich meine Brüder nicht wieder terrorisieren würde. Mir tat der ganze Arsch weh, und ich wünschte Uwe alles an den Hals, was man bekommen konnte an Krankheiten. Einen Augenblick dachte ich dann, es wäre besser gewesen, wenn ich Mutti das Leben nicht gerettet hätte, und daß Pappa auch abkratzen soll, der hat auch kein Recht mehr zu leben. Solch verrückte Gedanken hatte ich. Aber nach einer Weile mußte ich selber lachen über diese Gedanken und ich dachte mir wegen einer Tracht Prügel soll man nicht anderen so abscheuliche Sachen wünschen. Ich vergaß die ganze Sache bald und der Fall war erledigt. Uwe hatte aufgehört bei mir in den Schränken rumzuwühlen und ich war zufrieden mit allem, was rund um mich geschah.
    Eines Nachts bekam ich aber trotzdem nochmal einen riesigen Schreck. Pappa und Mutti waren auf einem Betriebs-ausflug, in der Nacht müssen sie nach Hause gekommen sein.
    Auf jeden Fall wurde ich geweckt, und das ganz unsanft, denn auf meinem Gesicht lag eine

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