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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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ich Mutti, wie wir das denn machen am Heiligabend und so, ob da das Lokal auch auf sei. »Natürlich ist das Lokal auf, bis sechzehn Uhr, und den Ersten und Zweiten Weihnachtsfeiertag ebenfalls«, gab sie mir zur Antwort. Daß ich meine Schulmappe nicht mitgenommen hatte, fiel Mutti gar nicht auf und deswegen fragte sie mich wahrscheinlich auch nicht danach. Im stillen amüsierte es mich, daß ich ihr eins ausgewischt hatte, denn wenn sie wüßte, daß ich heute gar nicht in der Schule war, sondern ich mich vergnügt hatte und auch noch ein Mädchen dabei hatte, wäre sie bestimmt explodiert und hätte mich verdroschen, daß ich in keinen Sarg mehr paßte. Das machte mich irgendwie froh, und ich schämte mich nicht einmal deswegen.
    Sieglinde war heute auch schon ganz schön vergnügt, und ich fragte mich, warum denn nur. Später fragte ich sie dann: »Du, warum bist du denn heute so happy?« »Ich hab den Mann meiner Träume gestern in der Disco kennengelernt. Wenn ich mir den angeln kann, dann brauch ich nicht mehr arbeiten.« »Ja warum denn?« »Der ist Architekt von Beruf, hat ein eigenes Haus und ein dickes Bankkonto. Er sieht nicht schlecht aus für sein Alter und ist charmant.« »Ja wie alt ist er denn?« »Naja, schon vierzig, aber das sieht man ihm nicht an.« »Und der interessiert sich für dich?« »Na klar, so schlecht sehe ich ja nicht aus.« »Nein, schlecht aussehen tust du nicht, aber was sucht der in dem Alter in der Disco, und du bist ja erst zwanzig.« »Ich hab doch gesagt, man sieht ihm nicht an, daß er so alt ist, und er sieht ziemlich sportlich aus.« »Naja, Sigi, das ist dein Brot und ich wünsch dir viel Glück, aber deswegen mußt du ja nicht bei uns aufhören zu arbeiten.« »Doch, ich will ihm ja eine gute Ehefrau sein, und eine Ehefrau hat zu Hause zu sein, wenn ihr Mann nach Hause kommt.« »Ach, das ist doch Quatsch, was du da erzählst.« »Und außerdem will ich auch mal Kinder haben und eine Familie.« »Das ist schon was anderes.« Wir plauderten noch eine ganze Weile miteinander, und Sigi vergaß ganz, daß sie schon Feierabend hatte. Als sie es merkte, war es schon zu spät, um nach Hause zu fahren und hinterher wieder herzukommen wegen dem Abendgeschäft. So blieb sie gleich da und wir machten das Kaffeegeschäft zusammen. Sie erzählte mir immer wieder von ihrem Traummann, und langsam langweilte mich der Typ. Aber das legte sich nach einer Weile, und sie hörte auf, von dem Supermann zu quatschen.
    Heute war der Heilige Abend, und nur bis vier Uhr geöffnet.
    Ralf, Uwe und ich hatten unser Geld zusammengelegt und für Mutti eine Nähmaschine gekauft. Es war zwar nicht gerade die teuerste, aber es war eine gute und man konnte mit dem Ding allerhand anstellen, so stand es in der Gebrauchs-anweisung.
    Für Pappa hatten wir eine Uhr gekauft und ein ganzes Etui für Pfeifenraucher, dazu gehörten Pfeifenreiniger, Filter, die Pfeife selber, das Etui, Tabakbeutel und das komplette Pfeifenbesteck.
    Junge, Junge, das war ein teures Weihnachten, unsere ganzen Sparbücher waren fast leer, und jetzt erst fiel mir auf, wieviel Trinkgeld das ausmachte. Zusammen machten die ganzen Geschenke fast fünfhundert Mark aus und das ist ein ganzer Batzen Geld, den wir uns da zusammengespart hatten.
    Wir verpackten unsere Geschenke am späten Nachmittag und Sieglinde half uns dabei noch. Jetzt erst fiel mir ein, daß wir Sieglinde ja auch ein Geschenk hätten kaufen können, aber das hatte ich ganz vergessen.
    Am Abend machten wir Bescherung. Wir überreichten Mutti ihr Geschenk und Pappa ebenfalls, dann wünschten wir noch frohe Weihnachten. Wir packten alle unsere Geschenke aus und ich bekam dieses Jahr einen Plattenspieler, den ich schon oft im Katalog bewundert hatte. Dazu noch eine Langspiel-platte und ein paar Singles. Ich freute mich wahnsinnig über meinen Plattenspieler und probierte ihn gleich aus. Mutti freute sich über die Nähmaschine und Pappa war ganz begeistert, daß er nun eine anständige Uhr besaß und eine nagelneue Pfeife.
    Wir tranken dann alle noch ein Glas Sekt und quatschten eine ganze Weile. Auf einmal fingen Mutti und Pappa an zu streiten. Wegen was wußte ich nicht genau, auf jeden Fall warf Pappa mit ein paar flegelhaften Ausdrücken durch die Gegend, die nicht gerade sittlich waren, und das noch an Weihnachten.
    Da war für mich das Fest schon wieder versaut. Ich stand auf, wünschte eine gute Nacht, packte meinen Plattenspieler unter den Arm und ging in mein Zimmer.

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