Ich wollte Liebe und lernte hassen
Zeugnis war unterschrieben, und der Fall war erledigt. Das fand ich nicht schlecht, warum ist mir bloß nicht so eine Ausrede bei meinem Zeugnis eingefallen. Jetzt waren es nur noch zwei Tage bis zu den Weihnachtsferien.
Sonja kam zu mir und fragte mich: »Schwänzen wir morgen die Schule, ist ja sowieso der letzte Schultag und da wird keiner groß fragen, wenn wir fehlen, das wird nicht einmal eingetragen in das Klassenbuch, das interessiert doch kein Schwein.« »Ja, warum denn nicht«, gab ich Sonja zur Antwort.
Dann machte ich Sonja den Vorschlag: »Was hältst du davon, wenn wir morgen mal das machen, wozu wir Lust haben. Wir fahren einfach nach Stockach, da kennt uns keine Sau, und wir können machen was uns gerade einfällt.« »Das ist klar, genau das machen wir.« Dann machten wir noch aus, daß wir uns morgen nicht in der Schule treffen, sondern ich den Siebenuhrfünfundvierzig-Bus nach Stockach nehme, und sie dann in Nenzingen zusteigt, da der Bus ja sowieso über Nenzingen fuhr. Der Schulbus fährt ja schon um zwanzig nach sieben und so war das genau passend. Keiner konnte etwas merken.
Das war echt der beste Vorschlag, den Sonja hatte machen können.
Am Abend als das Geschäft leer war, und ich in meinem Zimmer war, ging ich an meine Geldschatulle und zählte. Da ich das Geld für die Weihnachtsgeschenke vom Sparbuch holte, mit Muttis Erlaubnis natürlich, und das Trinkgeld, das ich noch hatte, nicht einzahlte, war da noch eine ganze Menge Geld drin. Ich steckte das Geld in meinen kleinen Geldbeutel und verstaute ihn in meiner Hose. Das Geld wollte ich mit Sonja ausgeben, wenn ich mit ihr nach Stockach fahre. Dann ging ich ins Bett und pennte auch sofort ein.
Als ich morgens aufstand und noch ein wenig müde war, futterte ich gleich eine Aufputschtablette, damit ich den Tag auch richtig genießen konnte und nicht, weil ich müde war, mir den Tag versauen würde. Meinen Schulranzen nahm ich nicht mit, und wenn mich Mutti danach fragen sollte, hätte ich ihr gesagt, daß wir ihn nicht mitnehmen mußten, da wir heute keinen Unterricht machten, sondern irgendwelche Spiele wie Stadt, Land, Fluß oder so etwas. Das würde sie mir abkaufen und das klang auch glaubwürdig.
So nahm ich dann den Bus nach Stockach und meine erste Geldausgabe war das Fahrgeld. In Nenzingen stieg Sonja zu, und da sie das Fahrgeld zahlte und dabei einen Geldbeutel in der Hand hatte, nahm ich an, daß sie ihre Spardose geplündert hatte. Sonja setzte sich neben mich und schmiegte sich ganz eng an meine Seite. Jetzt sahen wir aus wie ein junges Liebespärchen, das durch die Gegend gondelt. In Stockach gingen wir dann ausgiebig spazieren, schön Hand in Hand, und als wir später ein Café entdeckten, das geöffnet war, tranken wir erst mal in aller Ruhe Kaffee. Danach gingen wir durch die Geschäfte bummeln, und ich kaufte Sonja einen kleinen Ring, der nicht besonders teuer war und schenkte ihn ihr zu Weihnachten. Sie freute sich darüber und als Gegengeschenk schenkte sie mir einen kleinen Geldbeutel, den sie in einem anderen Kaufhaus ergatterte. Es war ein schöner Tag. Ich fühlte mich frei und glücklich und wünschte mir, daß der Tag nicht aufhören würde. Sonja und ich gingen dann nochmals etwas trinken, und dieses Mal tranken wir keinen Kaffee sondern Alkohol. Jeder trank einen Sonnenschein, das war Eierlikör mit Fanta und einem Strohhalm darin, und das machte uns irgendwie happy. Die Zeit verging schnell, viel zu schnell, und wir mußten uns beeilen, daß wir noch den Bus erwischten.
Dann im Bus sagte Sonja: »Jetzt werden wir uns fast drei Wochen nicht mehr sehen, das finde ich Scheiße.« »Ach, das macht nichts, ich werde dich öfters anrufen und dann können wir ja immer miteinander reden.«
Sonja schmiegte sich immer enger an mich, und als ihre Bushaltestelle kam, hätte sie vor lauter Träumen sie fast verpaßt. Sie verabschiedete sich schnell von mir und stieg aus.
Sie winkte dann dem Bus noch nach, und ich winkte zurück.
Dann dachte ich, Scheiße, jetzt ist der schöne Tag schon zu Ende und gleich darf ich mich wieder in die Scheißkneipe stellen und den Leuten ihre Wünsche erfüllen. Ich fing das erste Mal an, das Scheißlokal zu verfluchen und ich wünschte mir, daß es abbrennen würde. Aber ich wußte, daß mein Wunsch nie in Erfüllung gehen würde, wenn ich den Laden nicht selber anstecken täte. Aber dazu hatte ich sowieso keinen Mut, und außerdem könnte man das ja nachweisen.
Zu Hause fragte
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