Ich wuensch mir dich
gefunden. Damit ist ja wohl alles klar. Wann siehst du endlich ein, dass Lara eine kranke Irre ist, die mit allen Mitteln versucht, dich in ihre Fänge zu bekommen. Ich wette, diesen Erpresserbrief hat sie auch selbst an sich geschrieben, nur um deine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.«
Emily schüttelte mit dem Kopf. Dann stutzte sie. »Woher weißt du von dem Brief?«
»Na, du hast mir doch davon erzählt.«
»Nein, ich habe dir nur erzählt, dass Lara erpresst wird. Einen Brief habe ich nicht erwähnt«, war Emily sich sicher.
Nadine verdrehte die Augen. »Mag sein. Dann hat sich mir das eben einfach so eingeprägt, weil Erpressungen im Fernsehen immer mit einem Brief einhergehen. Was weiß ich.«
Die Erklärung schien Emily einleuchtend, also beließ sie es dabei. »Du wolltest mir doch mein Handy mitbringen«, erinnerte sie Nadine. »Oder wenigstens eine Telefonkarte für die Telefonzelle draußen.« Leider gab es die im Krankenhaus nirgendwo zu kaufen.
»Sorry, hab ich vergessen«, meinte Nadine unwirsch.
Emily seufzte. Das nahm sie Nadine nicht ab. Das unterschwellige Knurren in ihrer Stimme klang auch mehr nach: Wozu? Damit du Lara anrufen kannst? Nadine verstand einfach nicht, dass sie mit Lara reden musste. Für Nadine standen die Tatsachen fest. Es gab keinen Zweifel an Laras Schuld. Und sie verstand nicht, warum Emily das nicht genauso sah.
Im Grunde verstand Emily sich auch nicht. Aber sie wollte einfach nicht glauben, dass Nadine recht hatte. Immerhin, selbst Tamm war sich nicht sicher, ob Lara die Brandstifterin war.
19.
Mit der Diagnose über eine gesunde Lunge und einer Broschüre über plastisch-rekonstruktive Chirurgie sowie mehreren Terminen zur Wundnachuntersuchung wurde Emily nach fünf Tagen aus dem Krankenhaus entlassen. Ihre Hoffnung, dass Lara in ihr Krankenzimmer treten und alle Vorwürfe glaubhaft als absurd erklären würde, hatte sich nicht erfüllt. Aber jede Stunde, die sie vergebens wartete, hatte Emilys Enttäuschung und ihre innere Leere anwachsen lassen.
»Zu Hause wartet eine Überraschung auf dich«, verkündete Nadine strahlend und öffnete ihr zuvorkommend die Beifahrertür.
Emily lächelte matt. Neugier empfand sie keine. Überraschungen, davon hatte sie in letzter Zeit wirklich genug gehabt. Sie merkte, wie Nadine während der Fahrt nach Hause alles versuchte, die gedrückte Stimmung ihrer Beifahrerin zu verscheuchen. Aber Emily fehlte jegliche Lust an Small Talk. Zu allem anderen war hinzugekommen, dass sie Jan Windheim hatte anrufen und den Trainerjob absagen müssen, auf den sie sich so gefreut hatte. Aber in ihrer derzeitigen Verfassung fühlte Emily sich außerstande, eine solche Aufgabe zu übernehmen.
Zu Hause angekommen, wedelte Nadine, kaum dass sie im Flur standen, mit einem Brief in der Luft herum, der auf dem Schuhschrank gelegen hatte. »Schau Schatz, der hier kam heute Morgen von der Versicherung. Sie zahlen für den Brandschaden. Die Halle kann umgehend wiederaufgebaut werden. Und sogar im Fall des Einbruchs haben sie eingelenkt.«
Emily nahm den Brief und ging damit in die Küche, wo sie ihn las. Nadine folgte ihr. Emily hatte höchstens die Hälfte gelesen, da fragte Nadine schon: »Na, was sagst du? Ist doch toll!«
»Ja«, murmelte Emily. In Wahrheit drehte sich ihr der Magen um. Dann waren die polizeilichen Ermittlungen also bereits abgeschlossen und Lara stand zweifelsfrei als Brandstifterin fest. Bis eben hatte Emily noch ein Fünkchen Hoffnung am Glimmen halten können, dass sich das Ganze vielleicht doch noch als Irrtum herausstellte. Aber hier stand es nun, schwarz auf weiß.
Nadine führte sie fürsorglich ins Wohnzimmer, wo auf der Couch schon alles für ein Krankenlager vorbereitet war. Kissen, eine Wolldecke, sogar Illustrierte lagen bereit. Nachdem Nadine die Freundin in die flauschige Wolldecke eingehüllt hatte, nahm sie die Broschüre, die sie vom Krankenhaus bekommen hatten, setzte sich Emily gegenüber in den Sessel und blätterte darin. Emily starrte aus dem Terrassenfenster.
»Hast du das hier schon gelesen?«, fragte Nadine nach ein paar Minuten des Schweigens.
Emilys Blick löste sich kurz aus dem Nichts, wanderte zu Nadine. »Nein.«
»Die plastisch-rekonstruktive Chirurgie kann Ihnen bei Verbrennungsfolgen helfen«, las Nadine jetzt laut vor. »Nach Verheilung und Abschluss der Narbenbildung können auffällige Narben, Kontrakturen sowie Narben- und Gelenkversteifungen korrigiert werden. Ein Korrektureingriff,
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