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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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auf dem Küchentisch ausgebreitet hattest.
    »Weißt du denn, was du tust?«, flüsterte ich.
    »Na klar.« Du riebst dir die Stirn. »Dir passiert nichts. Diese Schlange ist sowieso nicht so gefährlich …«
    »Wie gefährlich denn?«
    »Ich krieg das schon hin.« Du streiftest mir das Elastikband über den Arm und zogst es ein Stück über der Stelle fest, wo du mir auf die Venen geklopft hattest.
    »Guck weg«, verlangtest du.
    Ich blickte zu der offenen Schublade. Mit einem Knacken brachst du etwas auf. Ich spürte den ungeschickten Einstich, mit dem die Nadel in meine Vene drang, dann ein Rucken, als du den Plastikbeutel dranhängtest … und ein Gefühl von Entspannung beim Abstreifen des Bands. Dann schoss plötzlich ein Schwall Flüssigkeit direkt in meine Adern.
    »Was ist das?«, fragte ich und blickte immer noch zu der Schublade.
    »Kochsalzlösung, auch aus dem Forschungslabor. Ich habe das Todesotter-Gegengift hineingemischt. Wenn du das direkt ins Blut bekommst, geht’s dir garantiert bald wieder besser.«
    Ich drehte den Kopf wieder zu dir und begriff, was du gesagt hattest. »Todesotter?«
    Du streicheltest meine Wange. »Die heißt doch bloß so.«
    Ich betrachtete den Beutel, dessen Inhalt langsam in meinen Körper floss, und das Röhrchen, das in meinem Arm steckte. »Woher weißt du, wie das geht?«
    Du wichst meinem Blick aus. »Ich hab an mir selbst geübt.« Du tipptest gegen den Beutel, um die Fließgeschwindigkeit zu prüfen.
    »Und jetzt?«
    »Jetzt warten wir einfach.«
    »Wie lang?«
    »Zwanzig Minuten oder so, weiß nicht. Bis alles reingelaufen ist.«
    »Und dann?«
    »Dann sehen wir weiter.«
    Scharrend zogst du einen Stuhl unter dem Tisch vor und setztest dich neben mich. Du strichst mit dem Finger leicht über die Nadel in meinem Arm.
    »Wird’s mir danach besser gehen?«, fragte ich und nickte zu dem Plastikbeutel hin.
    »Mehr oder weniger.« Wieder bemerkte ich den Schweiß auf deiner Stirn. An deiner Schläfe pulsierten die Adern.
    »Du machst dir Sorgen«, flüsterte ich. »Stimmt doch, oder?«
    Du schütteltest den Kopf. »Ach nein.« Deine Stimme klang belegt und du hattest ein Lächeln aufgesetzt. »Das wird schon wieder. Ich hab noch eine Ampulle, falls du sie brauchst. Aber dir geht’s bestimmt bald besser. Entspann dich, wart ab.«
    Aber deine Augen wirkten unruhig, als sie mich anblickten, die Augenwinkel zuckten. Du atmetest bewusst langsam aus und drücktest die Fingerspitzen auf die zuckende Stelle.
    »Was wird mit mir passieren?«, flüsterte ich. »Du verschweigst mir doch was.« Ich spürte, wie mein Atem schneller ging und mein Hals eng wurde.
    »Nein«, sagtest du rasch. »Werd bloß nicht panisch, das ist das Letzte, was wir brauchen. Wenn du in Panik gerätst, fließt dein Blut schneller und dann wirkt auch das Gift schneller.« Du drücktest die Hände an meine Schultern und massiertest die Muskeln in meinem Nacken. »Entspann dich«, flüstertest du.
    Aber ich schaffte es nicht, ruhig zu werden, nicht so richtig jedenfalls. Ich musste die ganze Zeit daran denken, wie es wäre, hier draußen zu sterben, auf einem Küchentisch, inmitten von Milliarden von Sandkörnern. Mein Atem ging jetzt noch schneller und du legtest mir die Hand aufs Gesicht, damit ich mich entspannte. Dann streicheltest du meine Haare.
    »Alles okay, mach dir keine Sorgen«, wiederholtest du immer wieder. »Ich pass auf dich auf.«
    Ich schloss die Augen. Hinter meinen Lidern war es dunkel. Vielleicht würde ich bald nie mehr etwas anderes sehen können. Vielleicht würde das Taubheitsgefühl in meinem Bein bald überall in meinen Körper kriechen, auch in mein Gehirn, und dann war Schluss. Mein Herz würde aufhören zu schlagen und stattdessen gäbe es für mich nur noch ewige Taubheit. Ich wäre bald unter dem Sand, überall Körner, unter mir, über mir, um mich herum. Ich krallte mich am Tisch fest und bohrte meine Fingernägel in das weiche Holz.
    »Keine Panik«, murmeltest du.
    Ich hatte schon über den Tod nachgedacht, ziemlich oft sogar. Aber der Tod, den ich mir vorgestellt hatte, war gewaltsam und schmerzhaft gewesen, er war etwas, das du mir zufügtest, nichts Taubes, Unpersönliches.
    »Du stirbst nicht«, flüstertest du. »Du musst einfach nur Geduld haben. Ich bin hier und ich weiß, wie ich dir helfen kann. Beruhig dich.« Du streicheltest mein Gesicht. »Gem, ich lass nicht zu, dass dir was passiert, auf keinen Fall.«
     
     
    Du streiftest mir die verschwitzten

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