Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
berührtest du die aufgerissene Stelle, bewegtest die kleinen Hautfetzen hin und her. Sofort begann meine Hand zu zittern und ich krümmte die Finger noch mehr.
»Rühr mich nicht an«, fauchte ich.
Du machtest einen Schritt zurück. »Ich weiß, wer du bist, Gem.«
Da schrie ich laut auf und rammte dir die Faust in die Magengrube. Mit voller Wucht. Und gleich noch mal. Ich warf mich dir entgegen, prügelte auf dich ein, donnerte mit den Fäusten gegen deine feste, sehnige Brust. Mir war egal, was du später mit mir machen würdest. Ich wollte dir nur wehtun. Aber du schienst die Schläge nicht mal zu merken. Du schnapptest nur meinen Arm und drehtest ihn mir auf den Rücken. Dann legtest du deine Lippen so dicht an mein Ohr, dass ich sie bei der geringsten Bewegung berührt hätte.
»Ich weiß doch, wie’s war«, hast du geflüstert. »Die vielen Abende, an denen du allein zu Hause warst, weil deine Eltern immer bis in die Puppen gearbeitet haben … dann deine Freunde, die im Park Saufpartys veranstaltet haben, und du wusstest nie, ob du mitmachen sollst oder nicht. Josh Holmes, der um ein Uhr morgens an dein Fenster klopft …« Du hast meinen Arm losgelassen. »Bist du in der Stadt denn wirklich glücklich gewesen?«
»Verpiss dich!«
Du bist zurückgewichen. »Ich frag ja nur«, sagtest du. »Hattest du wirklich ein perfektes Leben? Vermisst du’s im Ernst? Deine Eltern, deine Freunde und so?«
Du hieltst meinem Blick stand. Ich nickte. »Natürlich tu ich das.« Doch meine Worte klangen wie ein Husten.
Du gingst wieder an die Stelle, wo du vorher gesessen hattest. Ich schlang die linke Hand um meine Fingerknöchel und versuchte mich zu beruhigen. Ich hatte vorher gar nicht gemerkt, wie sehr ich zitterte. Du tauchtest einen andern Pinsel in ein Tellerchen mit grüner Farbe und begannst Muster auf deine Zehen zu malen.
»Du weißt doch, dass ich Recht habe«, sagtest du. »Deine Eltern sind Schwachköpfe. Denen geht’s doch bloß ums Geld, um ihr superschickes Haus und dass sie in die Zeitung kommen. Dich wollten sie doch nur dressieren, damit du so wirst wie sie. Davor hab ich dich gerettet.«
»Nein!« Ich presste die Kiefer zusammen und biss die Zähne so fest aufeinander, dass sie fast zu zerbrechen schienen.
Du zucktest nur mit den Schultern über meine Reaktion. »Wieso? Ich hab oft genug gehört, wie du ihnen das selbst so gesagt hast.«
»Ich bin ihre Tochter.«
»Na und?«
»Ich darf das sagen.«
Du riebst den Pinsel an deinen Shorts sauber. »Jetzt mal ehrlich, Gem: Die beiden lieben ihre Arbeit und den Luxus und ihre einflussreichen Freunde doch mehr als dich. Dich haben sie immer nur gut gefunden, wenn du dich genauso verhalten hast wie sie.«
»Das ist doch Blödsinn.«
Du hast eine Augenbraue hochgezogen. »Die haben lieber ihr neues Auto abgeholt, als zur Preisverleihung in deine Schule zu kommen.«
»Ich hab doch gar keinen Preis gekriegt.«
»Aber du musstest trotzdem hin und die Eltern von den andern waren alle da.«
»Du anscheinend auch.«
»Klar.« Du zucktest mit den Achseln und tupftest dir winzige grüne Punkte auf deine Zehen. »Aber ich kann schon verstehen, warum sie so geworden sind«, sagtest du. »Sie wollten eben Anerkennung, wollten dazugehören … das wollen die meisten Leute.«
»Nur so durchgeknallte Typen wie du nicht«, schoss ich zurück.
Deine Augen blitzten. »Ich will frei sein«, sagtest du. »Im Leben deiner Eltern kannst du nicht frei sein, da bist du einfach nur der Arsch.«
An deinem Hals pochten die Adern. Du schlucktest langsam und sahst mich dabei an. »Ich hab Sachen mitgekriegt, von denen du nichts weißt, das ist dir klar, oder?«, sagtest du ruhig, während du den Pinsel weiter umklammert hieltst. »Ich hab Gespräche mitbekommen, die du nicht gehört hast.«
Ich presste mir die Hände auf die Ohren. »Du willst mich vergiften«, flüsterte ich. »Du willst mir weismachen, dass du mein Leben besser kennst als ich selbst.«
»Vielleicht tu ich das ja. Soll ich dir was darüber erzählen?« Du bist aufgestanden, mit einem harten Ausdruck in deinem makellosen Gesicht. »Erstens weiß ich, dass deine Eltern wegziehen wollen, und zwar ohne dich … deine Mutter hat mit deinem Vater darüber geredet. Sie meinten, du könntest ja auf den Internatszweig deiner Schule.«
»Das ist nicht wahr«, murmelte ich.
»Und was ist mit Ben?«
»Was soll mit ihm sein?«
»Anna wusste, dass du ihn gut findest. Das hat ihr nicht gepasst … sie
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