Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
»Mal dich an. Jetzt.«
Ich bewegte kaum merklich den Kopf. »Nein«, wisperte ich.
Du drücktest den Pinsel fest in die Haut. »Ich will, dass du deine Hand anmalst«, sagtest du und sprachst jedes Wort überdeutlich aus. »So wie ich.«
Als ich mich nicht rührte, beugtest du dich vor und nahmst meine rechte Hand in deine, die zwischen Daumen und Zeigefinger immer noch den Pinsel hielt. Dein rabiater Griff umklammerte meine Hand, zerdrückte sie wie etwas, das in den Müll soll. Du packtest mich derart fest, dass ich mir vorkam wie Wackelpudding. Du bewegtest den Pinsel zu meiner linken Hand hin. Ein Klecks kalter, wässriger Farbe tropfte auf meine Haut.
»Nein«, wiederholte ich.
Mit einem Ruck entriss ich meine Hand deinem Klammergriff und kippte dabei die braune Farbe um. Sie lief über deinen Fuß, bedeckte das Muster dort.
»Du kleine …«
Du hobst den Arm, sprachst das Wort »Schlampe« aber nicht aus. Ich krümmte mich zusammen, deine Faust fest im Blick. Aber du tratst nur mit voller Wucht gegen den heruntergefallenen Teller, dass er an die Wand knallte. Deine Augen schillerten vor Wut. Du wolltest mich schlagen. Aber stattdessen versuchtest du ein Lächeln aufzusetzen. Deine Augen und das Lächeln kämpften miteinander. Wut gegen Selbstkontrolle. Deine geballte Faust zitterte.
»Sollen wir morgen einen kleinen Ausflug machen?« Deine Stimme war ein Singsang voll falscher Fröhlichkeit, aber dein Blick blieb hart. »Vielleicht lernst du dann, das hier zu schätzen? Mit ein bisschen Glück fangen wir vielleicht sogar ein Kamel.«
Du wolltest keine Antwort hören. Du hast mich einfach in deinem Schuppen stehen lassen, wo um mich herum die verschüttete Farbe im Boden versickerte. Zitternd hockte ich da, in einem See brauner Farbe. Es dauerte lange, bis ich dir zurück ins Haus folgte.
In Thrillern gibt es eine typische Szene: Der Mörder unternimmt mit seinem Opfer eine lange Fahrt durch eine atemberaubend schöne Landschaft, bevor er es nach allen Regeln der Kunst umbringt. Diese Szene kommt in allen berühmten Filmen vor, zumindest in denen, die von einem Mord in einer abgelegenen Gegend handeln. Daran musste ich denken, als du mich am nächsten Morgen wecktest, einen Tag nachdem du mich beinahe geschlagen hättest.
»Wir machen einen Ausflug«, sagtest du. »Fangen ein Kamel.«
Es war noch sehr früh, das erkannte ich am Licht – blass und weiß mit einem Stich Rosa darin – und an der kühlen Luft. Ich zog mich an und steckte mir das Messer in die Tasche meiner Shorts. Ich hörte dich geräuschvoll im Haus herumkramen. Dann bist du nach draußen gegangen und hast den Wagen gestartet. Du hülltest mich mit Lärm ein. Daran war ich nicht gewöhnt. Langsam machte ich mich fertig. Zwei Dinge waren mir klar. Es gab für mich auf dieser Fahrt vielleicht eine neue Chance zu fliehen. Und es konnte sein, dass ich nie mehr zurückkehrte.
Du packtest den Wagen, ludst Kiste um Kiste mit Proviant und Ausrüstung ein. Ich wollte vermeiden, dass du wieder durchdrehtest wie am Tag zuvor. Also beschloss ich, mit dir zu reden.
»Wo willst du hin?«, fragte ich dich.
»Tief ins Nirgendwo.«
»Ich hab gedacht, da wären wir schon.«
»Nein.« Du schütteltest den Kopf. »Das hier ist nur der Rand.« Ich sah dabei zu, wie du ein Seil in engen Schlingen aufwickeltest und es auf eine Kühlbox legtest. Dann griffst du ein anderes Seil und wickeltest weiter. »Ich lass dich jedenfalls nicht allein hier, das steht fest.«
Keuchend hievtest du drei riesige Wasserkanister in den Kofferraum.
»Wie lang willst du wegbleiben?«
»Nur einen Tag, aber da draußen weiß man nie … Sandstürme, Buschfeuer, alles Mögliche kann passieren.« Du klopftest auf den letzten Kanister. »Außerdem wird das Kamel Wasser brauchen.«
»Ich dachte immer, die tragen ihr Wasser auf dem Rücken mit sich rum.«
Du schütteltest den Kopf. »Fett.«
»Was?«
»In ihren Höckern ist Fett … als Energiereserve. Wasser brauchen sie genauso wie andere Tiere auch.«
Du versuchtest noch einen Eimer im Kofferraum unterzubringen, aber er passte nicht mehr rein. Ich stellte mir vor, wie ich da drinnen gelegen hatte, unter Unmengen von Zeug – zusammengequetscht, mit verrenkten Gliedern, kurz vorm Ersticken. Es schüttelte mich. Darum ging ich um den Wagen herum nach vorne. Du recktest den Kopf, um mich im Auge zu behalten.
»Dieses Mal darfst du auf den Vordersitz«, riefst du.
Ich machte die Tür auf, stieg aber nicht
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