Ich würde dich so gerne kuessen
ich meinen Kopf zu ihm wende, kann ich ihn riechen, eine angenehme Mischung aus Deo und Schweiß. Als er merkt, dass ich ihn ansehe, schmunzelt er, ohne zu mir zu schauen. Das mit dem Blickkontakt klappt noch nicht richtig.
Die Küche sieht verändert aus. Dunkler, aber freundlicher. Mein rechter Arm fühlt sich an, als würde ich morgen einen Muskelkater bekommen.
»Hey, hilfst du mir eigentlich bei meiner eigenen Wohnung auch zu renovieren?«, frage ich Jeffer.
»Wenn du höflich fragst.« Er reicht mir seine Zigarette und dabei berühren sich unsere Finger.
»Tue ich doch grade.«
»Na dann.«
Wir sehen uns an und lächeln.
Der Tag verfliegt. Plötzlich ist es dunkel und Jeffer bringt mir das Gitarrenspielen bei. »Lola« von den Kinks. Wir sitzen ganz nah beieinander. Es ist ein bisschen so, als würden wir absichtlich Situationen suchen, bei denen wir uns körperlich nah sein müssen. Die Kerzen brennen. Meine rechte Hand macht ihre Arbeit hervorragend, ich habe einen guten Anschlag. Die Linke hat Probleme damit, die harten Gitarrensaiten nach unten zu drücken, und sobald der kleine Finger im Spiel ist, wird es kompliziert. Jeffer ist ein geduldiger Lehrer. Er fasst vorsichtig meine Finger an und legt sie dann dorthin, wo sie aufliegen sollen, dann drückt er sie sanft. Immer wieder fangen wir von vorne an. Er schlägt den Takt mit seinen Fingern auf den Tisch. Eine kleine Session. Musik fühlt sich großartig an. Ich bekomme eine Gänsehaut. Die Kerzen flackern und werfen Schatten auf die Wände und Decke. Jeffer zündet zwei Zigaretten an und steckt mir eine davon in den Mund, damit ich meine Hände nicht von der Gitarre lassen muss. Mein Herzschlag macht wieder Aussetzer. Ich versuche trotzdem, dabei cool auszusehen. Jeffer ist mir jetzt so nah, dass ich mir keinen Fehler erlauben kann, keine Unsicherheit. Ich spüre seinen Atem in meinem Nacken, als er mir die Zigarette wieder aus dem Mund nimmt und im Aschenbecher ablegt. Ich müsste meinen Kopf nur ein winziges Stück drehen, dann wären unsere Lippen sich so nah, dass sie wie zwei Magnete aufeinanderstoßen müssten. Soll ich es tun? Einfach jetzt ganz schnell, ohne nachzudenken?
Aber da klopft es plötzlich an der Tür. Jeffer legt seine Hand auf die Gitarrensaiten und die andere auf meinen Mund. Wir harren aus. Es klopft noch ein paar Mal. Ich muss kichern. Ist doch wieder typisch, dass es gerade jetzt klopfen muss.
»Psst«, flüstert Jeffer und pustet mir dabei ins Ohr.
»Ist doch albern«, versuche ich, unter seiner Hand hervorzubringen.
»Psst.« Er drückt mich noch ein Stück näher zu sich heran.
Dann bleibt es still. Man hört nur jemanden, der sich im Treppenhaus entfernt.
»Und wenn es wichtig war?«, frage ich.
»Das war nicht wichtig. Du bist wichtig.« Er hält mich immer noch fest, und ich merke, wie er mich ansieht.
Verdammt. Jetzt oder nie. Aber ohne Whiskey ist das einfach komplizierter!
Ich sehe ihm kurz in die Augen und wende mich dann wieder der Gitarre zu.
»Noch ein bisschen und ich kann tatsächlich ›Lola‹ spielen«, sage ich, um diese furchtbare Anspannung aufzulösen.
So vergehen zwei Tage. Wir schlafen in getrennten Betten. Es ist ein ständiges Hin und Her, aber jetzt gerade würden wir es wohl nicht aushalten, in ein und demselben Bett zu schlafen. Wenn ich es recht bedenke, ist es vielleicht gar nicht so komisch, dass die anderen nicht wussten, wohin sie uns einordnen sollen. Wir sind ja selbst ganz verwirrt.
Wir kochen zusammen, räumen auf, spielen Brettspiele und hin und wieder auch Gitarre. Jeffer zeigt mir Fotos aus dem Kindergarten. Wir machen eine Collage. Ich filme ein bisschen. Der Plattenspieler läuft vierundzwanzig Stunden. Ich werde langsam zum Musikexperten. Wir stellen einen Soundtrack zusammen. Einen Lebenssoundtrack. Es ist nicht leicht, sich zu entscheiden, über viele Lieder müssen wir lange diskutieren. Schließlich können wir uns auf fünf einigen:
»Free Bird« von Lynyrd Skynyrd,
»The Letter« von The Box Tops,
»Whole Lotta Love« von Led Zeppelin,
»The End« von den Doors
und »After Midnight« von Eric Clapton und J.J. Cale.
Wir nehmen diese Lieder von Platte auf Kassette auf, wegen dem schönen Vinylknistern, und basteln ein Cover für unseren Lebenssoundtrack.
Wir fotografieren unsere Boots auf den Küchenfliesen, unsere runtergerauchten Zigaretten, den Plattenspieler, einzelne Ausschnitte aus unserem Gesicht. Dabei kommen wir uns immer wieder näher. Hände,
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