Ich wusste nicht, wie gut du küsst!
Zwillinge waren so aufgeregt gewesen, und gemeinsam hatten sie Zukunftspläne geschmiedet. Sie würde alles tun, um ihnen diese Freude zu erhalten und ihren Traum zu erfüllen. Nun, nicht alles, aber fast alles.
Jayne seufzte und überlegte bedrückt, was sie machen sollte. Sie war fest entschlossen, etwas zu unternehmen. Auf keinen Fall sollten Charlie und Chloe vom College abgehen müssen. Sie würde alles in Ordnung bringen.
In den letzten vier Jahren war das ihre ständige Rolle gewesen. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte Jayne alles getan, um den Zwillingen den Verlust zu erleichtern. Sie war für die beiden stets da gewesen. Wann immer sie sie gebraucht hatten, hatte sie alles stehen und liegen lassen und die Dinge geregelt.
Aber dieses Mal würde das sehr schwierig sein. Jayne seufzte wieder. Es gab keine schnelle Lösung für den Verlust einer so großen Summe. Es sei denn, man gewann im Lotto oder man stolperte zufällig über eine große Summe Geld oder man stolperte zufällig über jemanden, der eine große Summe Geld besaß.
“Denn, sehen Sie, ich bin zufällig selbst Multimillionär. Oder zumindest, ich werde einer sein, sobald ich verheiratet bin …”
Oje, dachte Jayne. Das war das Letzte, woran sie sich erinnern wollte. Erik Randolphs Antrag sollte nicht die Lösung ihres Problems sein.
“Die Ehe bestünde natürlich nur auf dem Papier …”
Das war ihr vollkommen egal. Es gab so viel, was schiefgehen konnte bei solch einer Abmachung. Sicher, sie würde fast alles tun, um ihren Geschwistern zu helfen, aber die Betonung lag hier auf “fast”. Niemals würde sie einen wildfremden Mann heiraten, um ihre Geschwister aufs College schicken zu können.
Andererseits konnte man eigentlich nicht behaupten, dass er ihr völlig fremd war. Sie kannte ihn vom Hörensagen und sie hatten heute Nachmittag eine nette, wenn auch manchmal reichlich bizarre Unterhaltung geführt. Natürlich gab es immer noch unzählige Gründe, weswegen sie Erik Randolph nicht heiraten konnte.
Das blinkende Knöpfchen am Anrufbeantworter erinnerte Jayne an den zweiten Anruf, und sie war nur allzu froh über die Unterbrechung ihrer Gedanken.
Diesmal ist es wenigstens eine gute Nachricht, dachte sie, als sie die Stimmen der Zwillinge hörte. Es gab nichts, was sie mehr erfreuen konnte, als Charlies und Chloes Berichte aus dem College, die seit dem Beginn des Semesters so ziemlich täglich kamen.
“Hi, Jaynie!”, rief Chloe, und aus dem Hintergrund ertönte Charlies Stimme.
“Na, große Schwester, wie geht’s denn so?”
Jayne lächelte zärtlich. “Hallo, Chloe. Hallo, Charlie”, murmelte sie, obwohl sie natürlich wusste, dass die beiden sie nicht hören konnten.
“Wir haben nur angerufen, um Hi zu sagen, und dass wir heute im Einführungskurs ‚Kreatives Schreiben` ein Gedicht über dich geschrieben haben.”
Auf diese Ankündigung folgte Chloes Räuspern und Charlie, der mit einem tiefen “mi-mi-mi” einen Opernsänger imitierte, der vor seinem Auftritt Tonleitern sang. Jayne lachte amüsiert, bevor beide gleichzeitig anfingen, ihr Gedicht vorzulesen.
“J steht für Jaynie, unsere holde Schwester, A für ihren aufopfernden Charakter, der Welt bester.” Das wurde von Geflüster unterbrochen. “Ich hab dir doch gesagt, an dieser Zeile müssen wir noch feilen.” Ernst fuhren die Zwillinge fort: “Y steht für das liebevollste Yin zu unserem Yang, N steht für Nächstenliebe, wovon ihr Herz so voll. Und E ist für alles Edle, das sie für uns getan und für uns aufgegeben hat.”
“Na schön, den Reim kannst du so ziemlich vergessen”, fügte Chloe hastig hinzu. “Und der Rhythmus haut auch nicht so ganz hin. Es ist eben unser erstes Gedicht, aber wir wollten es dir widmen.”
Es folgte eine kleine Pause, und dann verkündeten Charlie und Chloe wieder gemeinsam: “Wir haben dich lieb, Jaynie.”
Charlie sagte leise: “Du sollst wissen, dass wir nie vergessen werden, was du für uns getan hast. Alles ist so toll hier.”
“Wir sind einfach begeistert vom College”, bekräftigte Chloe. “Ruf uns an, wenn du kannst. Gib Mojo einen Kuss von mir. Wir melden uns bald wieder.”
Danach war nur noch das Freizeichen zu hören.
Erst jetzt merkte Jayne, dass sie Tränen in den Augen hatte – nicht deswegen, weil sie fürchtete, dass ihre Geschwister beim “Kreativen Schreiben” wahrscheinlich durchrasseln würden, sondern weil sie in diesem Moment wusste, dass sie doch alles tun würde, um ihnen ihren
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