Ich wusste nicht, wie gut du küsst!
halbherzig. Sie redete sich ein, ihm die bittere Pille ihrer Abweisung versüßen zu wollen, aber in Wirklichkeit versuchte sie nur, Zeit zu gewinnen. Denn ihr wurde klar, dass sie seine Einladung sogar sehr gern annehmen würde. Was für eine Überraschung, dachte sie ironisch.
Erik drängte weiter. “Wenn Sie sich Sorgen wegen meiner Absichten machen, brauchen Sie mir nicht zu sagen, wo Sie wohnen. Wir können uns irgendwo treffen.”
“Ach, ich weiß nicht …”
“Und ich lasse Sie auch das Restaurant aussuchen.”
“Es ist nur so, dass …”
“Bitte, Jayne”, unterbrach er sie. “Sie sind womöglich meine einzige Chance. Wenn ich Ihnen die Situation erst einmal erklärt habe, ändern Sie vielleicht Ihre Einstellung.”
Sie wusste nicht, ob sie den ersten Teil seiner Rede als Kompliment nehmen sollte, aber der zweite Teil war auf jeden Fall absolut unmöglich. Doch was würde schon geschehen, wenn sie mit ihm zum Essen ausging? Sie hatte sowieso nichts anderes vor. Abgesehen von großer Wäsche, wie ihr gerade einfiel.
Jetzt sah Eriks Vorschlag sogar noch verlockender aus.
Sie überlegte weiter. Er überließ ihr jede Entscheidung, damit sie sich sicher fühlen konnte. Dass er den Ruf eines Exzentrikers hatte, war noch lange kein Grund, ihn abzuweisen, oder? Wenn irgendein anderer netter, unwiderstehlicher Mann sie zum Essen eingeladen hätte, hätte sie höchstwahrscheinlich sofort ja gesagt.
Und dieser Mann war nun wirklich unglaublich anziehend.
“Ich habe eine Idee”, sagte Erik, als Jayne immer noch nicht antwortete. “Kennen Sie ‚J.J.’s Deli` am anderen Ende dieser Straße?” Er meinte den Delikatessenladen, zu dem ein kleines Restaurant gehörte. “Wann hören Sie auf zu arbeiten?”
“Um fünf”, antwortete Jayne automatisch.
Er lächelte. “Schön. Ich werde heute Abend um sieben Uhr bei J.J. sein. Wenn Sie sich entschließen sollten zu kommen, wäre das wundervoll. Wenn nicht …”
Er unterbrach sich, und sie war überrascht über den Grad der Enttäuschung in seiner Stimme. “Wenn nicht”, wiederholte er und seufzte, “werde ich es wohl irgendwie überleben.”
Sie schwieg.
“Aber ich glaube, Jayne, dass wir eine schöne Zeit zusammen hätten, wenn Sie kommen würden, und eine sehr interessante Unterhaltung. Heute Abend, sieben Uhr”, sagte er noch einmal eindringlich. “Bei J.J. Ich hoffe, Sie kommen.”
Damit drehte sich Erik Randolph, der exzentrische, unwiderstehliche Mann und künftige Multimillionär um und verließ Colette Jewelry, ohne noch einen Blick über die Schulter zu werfen.
Und Jayne konnte nur den Kopf schütteln und sich verblüfft fragen, was in aller Welt gerade geschehen war.
Nachdem sie am Abend um halb sechs zu Hause angekommen war und natürlich sofort über Mojo stolperte, weil der verflixte Kater auf der Lauer gelegen hatte, um sie zu Fall zu bringen, sah sie das Blinken des Anrufbeantworters, der ihr mitteilte, dass sie zwei Anrufe erhalten hatte. Jayne spürte, dass ihre Pechsträhne noch nicht ganz vorüber war.
Die erste Nachricht gab ihr recht. Sie war kurz und bündig. “Jayne, ruf mich an, denn wir müssen etwas besprechen.” Das klang ziemlich unheilverkündend, wahrscheinlich vor allem deswegen, weil es von ihrem Anlageberater kam.
Sie ließ die zweite Nachricht warten und rief sofort bei dem Mann an.
Als sie wieder auflegte, hatte sie erfahren, dass eine der “todsicheren” Investitionen, zu der man sie ermutigt hatte, doch nicht so sicher gewesen sei, dass sie sich aber keine Sorgen zu machen brauche, da sie nicht gar so viel Geld verloren habe, und dass sie ihre Verluste in ganz kurzer Zeit – in etwa vier bis fünf Jahren –_wieder wettmachen könne. Bis dahin würden ihre Finanzen aber nicht ganz so rosig aussehen.
Als sie sich erkundigt hatte, was “nicht ganz so rosig” unter den Umständen zu bedeuten habe, hatte sie erfahren, dass sie bis zum Jahr 2003 oder 2004 nicht in der Lage sein würde, die Studiengebühren für ihre Geschwister zu bezahlen.
Das war allerdings ein Problem. Die Gebühren für das laufende Semester hatte sie zum Glück bereits im letzten Monat bezahlt, aber was würde im Frühling geschehen? Wie sollte sie Charlie und Chloe sagen, dass sie schon nach ihrem ersten Semester das College würden abbrechen müssen? Jayne erinnerte sich noch an ihre freudestrahlenden Gesichter, als sie sich vor kaum einer Woche auf dem Campus der Universität von Indiana verabschiedet hatten. Die
Weitere Kostenlose Bücher