Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten
dieses Jahr bleiben würde, sondern er wäre wahrscheinlich für den ganzen Rest meines Lebens an jedem Schultag mein nicht-echter-nichts-mit-mir-zu-tun-habender-aber-trotzdem-fest- an-mir-klebender Name. Ich wusste, es würden sehr viele
Tage sein, an denen ich »Ida« wäre und nicht »Ida B«. So viele Tage, dass ich vielleicht ganz vergäße, wie es eigentlich war, »Ida B« zu sein.
Und bei diesem Gedanken beschlich mich ein schlimmes Gefühl, das im Magen begann, durch Beine und Arme wanderte und bis in die Zehen, Finger und sogar die Zunge drang. So als wäre alles fest zugeschnürt, eingeschrumpft und in einen viel, viel zu kleinen Raum gequetscht.
Ich schaute aus dem Fenster und sah all den Sonnenschein und die Luft und die Weite, die dazu da waren, dass du dich drin bewegst. Und ich schwöre, ich konnte den Bach nach mir rufen hören, sogar über die weite Entfernung hinweg und durch die geschlossenen Fenster: »Komm nach Hause, Ida B. Ich warte auf dich. Na mach schon, los, komm.«
Eine starke Sehnsucht, das Klassenzimmer zu verlassen, hinauszugehen und mich von der Stimme nach Hause führen zu lassen, überkam mich. Aber ich hatte Mama erst am Morgen neunmal versprochen, dass ich brav sein und allen Anweisungen folgen würde. Also legte ich die Hände in den Schoß und blieb auf meinem Fleck im Kreis sitzen.
Aber immer wieder dachte ich, das hier hatte mit Mamas und Daddys Erzählungen, wie es in der Schule sein würde, nicht das Geringste zu tun, und ich fand, das war wirklich kein gutes Zeichen.
Es gab im Klassenzimmer ein Kaninchen in einem Käfig, aber wir durften es nicht streicheln, bis es Zeit dafür war.
Es gab Bücher auf den Regalen, aber wir durften sie nicht lesen, bis es Zeit dafür war. Es gab einen großen Spielplatz mit Rutschen, Schaukeln und Bällen, aber wir durften dort nicht spielen, bis es Zeit dafür war. Es gab jede Menge Kinder, aber wir durften nicht miteinander reden, bis du weißt schon wie lange.
»Miss Myers«, fragte ich schließlich, »wann ist es denn Zeit?«
»Wie bitte?«
»Wann ist es Zeit für all das, was Spaß macht?«
»Tja, Ida«, sagte sie, »es gibt unterschiedliche Zeiten für unterschiedliche Dinge. Ich sag dir schon, wann es für was Zeit ist. Warum entspannst du dich nicht einfach und genießt den Tag.«
Also, selbst als ich noch klein war, hab ich schon gern Pläne gemacht. Ich wollte immer wissen, was kam, damit ich mich von den unangenehmen Dingen, so gut es ging, fern halten und lieber für die schönen Dinge bereithalten konnte.
»Können Sie es mir nicht jetzt sagen, damit ich einen Plan machen kann?«, fragte ich.
Anderthalb Sekunden später stand Miss Myers vor mir. Ihr Mund war ein schmaler Strich, ihre Hände bohrten sich in die Hüften und ihren Blick hatte ich schon öfter in Gesichtern von Erwachsenen gesehen, er hatte noch nie etwas Gutes bedeutet.
»Ida«, sagte sie, »vertrau mir. Wir werden über den Stundenplan reden, wenn es Zeit dafür ist.«
Da waren die Wörter wieder. Genau in dem Moment fragte ich mich, ob ich vielleicht in eine Klasse für böse
Kinder gekommen war, die man einsperren musste, und ob meine Strafe noch zusätzlich einschloss, dass ich meinen Namen verlor und nie wieder fähig sein würde, einen Plan zu machen. Aber Emma Aaronson war auch in der Klasse und die war jeden Tag rund um die Uhr artig.
Ich spürte, wie ein ganzer Schwall von Gemeinheiten in meiner Kehle hochstieg und unbedingt aus meinem Mund herauswollte. Aber ich hatte Mama, während wir zur Schule fuhren, auch siebenmal versprochen, dass ich höflich sein würde.
»Ja, Madam«, sagte ich schließlich durch die Zähne, denn die hielten meine Unverschämtheiten im Mund zurück.
Dann machte ich für den Rest des Tages einen Plan anhand der einzigen Antwort, die ich bekommen hatte: nämlich wie die Uhr aussehen würde, wenn es Zeit war, nach Hause zu gehen. Ich starrte immerzu auf die Uhr über der Tür und beobachtete, wie sich der kleine Zeiger beständig weiter der Drei näherte, bis die Glocke zum Schulschluss läutete.
Mama wartete am Rand des Parkplatzes und hatte ein breites Lächeln aufgesetzt.
Also, die wahre Ida B hätte natürlich gestrahlt und wäre schnellstens hingelaufen, um Mama zu begrüßen. Ida B wäre in den Truck gesprungen und noch fünfmal in ihrem Sitz auf und nieder gehüpft, sie hätte Mama von ihren Plänen für den Nachmittag erzählt und gesagt, sie würde wahrscheinlich zu beschäftigt sein, um noch allzu viele
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