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Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten

Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten

Titel: Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Hannigan
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aussandte, und selbst ihn nur mit langsamer Geschwindigkeit und geringer Lautstärke.
    Aber plötzlich spürte ich, wie mein Gehirn schneller denn je um sechs Uhr morgens auf Touren kam, und das nicht, weil Mama und Daddy irgendwas sagten oder taten, sondern genau umgekehrt: weil sie leise waren und schwiegen, und mein Hirn wusste, dass das ungewöhnlich war und schlicht und ergreifend nicht richtig klang. Mir fuhr ein Schudder die Wirbelsäule hinab, ich hatte auf einmal einen komischen Geschmack im Mund und nach anderthalb Sekunden war ich hellwach und betrachtete die beiden mir gegenüber am Tisch.
    Mama sagte weder etwas noch aß sie. Sie saß einfach nur da und spielte mit ihrem Essen herum, was man eigentlich nicht tun soll.
    Auch Daddy aß nicht, sondern starrte nur seinen Teller an.
    Schließlich sagte er ganz gedrückt: »Dann rufst du also heute die Ärztin an und lässt dir einen Termin geben?«
    »Ja«, antwortete sie ihm.
    Mama lächelte Daddy zu schnell zu fröhlich an und meinte: »Wahrscheinlich ist es ja überhaupt nichts, worüber man sich Sorgen machen muss, Evan.«
    Daddy legte seine Hand auf ihre und sagte: »Ich weiß.« Aber er hob nicht den Blick zu Mama, sondern schaute bloß weiter auf ihre Fingerspitzen, die unter seiner gro ßen Hand hervorragten.
    Es war eine Stille in der Küche, wie ich sie noch nie erlebt
hatte, geradeso als ob die Welt stillstünde. Und ich wusste, wenn ich in diesem Moment nach draußen ginge, würde dort kein Wind gehen, die Pflanzen hätten aufgehört zu wachsen und die Sonne wäre am Himmel fest gefroren.
    »Was ist denn los? Was ist überhaupt nichts?«, schrie ich beinahe, denn irgendjemand musste jetzt einfach genug Aufruhr schaffen, damit die Dinge wieder in Gang kamen und alles auf »in Ordnung« zurücksprang.
    Mama und Daddy sahen zu mir herüber, als wär ich die große Überraschung.
    »Du musst dir keine Sorgen machen, Süße«, antwortete Mama schließlich. Und Daddy schaute aus dem Fenster.
    »Was ist überhaupt nichts?«, wiederholte ich, denn solche Antworten bedeuten meistens, es gibt mehr als genügend Gründe, sich Sorgen zu machen, aber nicht gerade viel, was sich dran ändern lässt. »Warum seid ihr so traurig? Was ist denn los?«
    Doch Mama antwortete nur langsam und trübselig wie der Wind an einem Regentag: »Oh, Ida B.«
    Danach stand sie auf, räumte ihren Teller ab und das war alles.

    Das ist das Schlimme daran, eine Schlange im Frühling zu sein: Manchmal findest du einen Ort, den du für ideal zum Sonnenbaden hältst. Es ist der größte Stein aller Zeiten, so lang, dass du überhaupt nicht sehen kannst, wo er endet. Und dieser ideale Stein, der so herrlich ist, dass du es kaum für möglich hältst, ist ganz glatt und dunkel
und mollig warm. Du schlängelst dich auf die kuschelige Schwärze, und schon bald fühlst du dich derart behaglich und zufrieden, dass du sogar im ausgestreckten Zustand einschläfst und schnarchst. Du bist dir ganz sicher, dass du im Schlangenhimmel bist.
    Aber da du eine Schlange bist, befindest du dich so dicht am Boden, dass du nicht sehen kannst: In Wirklichkeit ist das Stück Steinparadies, auf dem du liegst, eine Straße. Du fühlst dich so kuschelig-mollig und schläfst so tief, dass du nicht hörst, wie der große alte Lastwagen, der zwei Tonnen Tomaten geladen hat, näher und immer näher kommt.
    Und das Nächste, was du mitkriegst - plitsch, platsch und dazu noch ein mehrfaches Knacken -, sind Reifenspuren auf deinen beiden Enden. Du bist dir nicht ganz sicher, was passiert ist, doch völlig überraschend hast du die Welt verlassen.
    Ich jedenfalls habe gelernt, dass man selbst dann, wenn man sich im Himmel wähnt, wachsam sein und einen Plan haben muss.
    Auch wenn sich für manche Dinge nur sehr schwer vorplanen lässt.

9. KAPITEL

    Mama hatte eine Geschwulst. In der Geschwulst saß der Krebs. Das war das Nichts, das in Wirklichkeit gar kein Nichts war, aber anfangs schien das Etwas zumindest noch nicht so schlimm zu sein. Es hatte eher was von einer Cent-in-der-Nase-Geschichte: Du musst bloß das Centstück herauskriegen, weil es dort einfach nicht hingehört, und wenn es zu lange drinbleibt, plagst du dich hinterher schrecklich mit einer Erkältung rum. Also gehst du zum Arzt, der holt es ruck, zuck heraus, und schon bald hast du völlig vergessen, wie das war, eine entzündete, verstopfte und gedehnte Nase zu haben. So, dachte ich, würde es auch mit der Geschwulst gehen.
    Aber so war es bei Mama

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