Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten
immer besonders schlimm.
Doch Stück für Stück ging es dann etwas bergauf, bis sie fast wieder meine Mama war.
Sie fing wieder an zu essen, arbeitete wieder ein bisschen mit Daddy und fragte mich: »Ida B, wenn man zweieinhalb Tassen Mehl braucht, um einen Kuchen zu backen, und du backst ein Jahr lang jede Woche zwei Kuchen, außer in der Weihnachtswoche, in der du fünf backst, wie viele Tassen Mehl brauchst du dann insgesamt?«
»Nur jede Woche zwei, Mama?«, fragte ich. »Können es nicht drei sein?« Und sie lächelte beinahe so wie früher.
Aber da waren schon wieder drei Wochen um und es wurde Zeit für die nächste Behandlung. Das ganze Glück, das schon geglaubt hatte, auf der sicheren Seite zu sein und wieder in unser Haus einziehen zu können, musste umkehren und dorthin verschwinden, wo es herkam. Sogar das Leuchten verschwand aus ihren Augen, und ich konnte es nicht mehr finden, egal wie lange ich sie anschaute.
Wenn mir dann niemand einen Funken Aufmerksamkeit schenkte, ging ich in mein Zimmer, schloss die Tür, setzte mich auf den Fußboden hinter meinem Bett und weinte und weinte - um Mama und Daddy und mich und um die ganze Liebe, die so verschwendet schien, weil sie Mama nicht heilen konnte.
10. KAPITEL
Eines Tages im August fühlten sich das Haus und mein Herz schließlich so trist und grau, dass ich mich entschloss, noch einmal einen Versuch zu machen und mit dem alten Baum zu reden. Ich ließ Rufus zu Hause bei Mama, stieg hinauf auf die Spitze des Bergs, kletterte den Stamm hoch und setzte mich an meinen gewohnten Platz.
»Ich habe nicht vor, mich zu beklagen, und ich will auch nicht jammern, aber Mama ist nicht mehr Mama und Daddy ist nicht mehr Daddy, und ich vermisse sie, und ich vermisse das Leben, das wir hatten, und ich fühle mich schrecklich einsam«, erklärte ich dem Baum.
Dann schloss ich die Augen und legte meinen Kopf auf den warmen, glatten Ast neben mir. Ich fühlte mich müder als müde, deshalb war ich froh, einfach nur eine ganze Weile so dazusitzen.
Die Sonne schien mir auf den Rücken und der Wind strich mir wie Finger über die Wange. Plötzlich stellten
sich die Haare auf meinen Armen und im Nacken senkrecht und kitzelten, da wusste ich, dass etwas bevorstand.
Und ich hörte die Stimme, die nicht laut heraustönt, aber man kann ihr trotzdem lauschen, nur nicht mit den Ohren. Du musst sie in deinem Innern hören.
Langsam wie der Schlaf, still wie die Nacht flüsterte sie: »Es kommt wieder in Ordnung.«
Und das war alles.
In meinem Bauch steckte eine warme Kugel, und die Wärme breitete sich aus, sodass ich von innen nach au ßen aufgeheizt wurde. Jeder kleinste Teil von mir wurde plötzlich ganz friedlich und warm und sicher, und ich vergaß alles um mich herum bis auf das eine Gefühl, ganz sicher zu sein.
Kurz darauf erinnerte sich aber der Teil von mir, der immer argwöhnisch ist, wenn sich etwas zu schnell zu gut anfühlt, an all die Sorgen und die Trauer, die es in unserem Haus gegeben hatte. Und das warme, wohlige Gefühl verschwand ganz schnell.
Ich öffnete die Augen, setzte mich aufrecht und sagte laut: »Bist du sicher? Kannst du mir sagen, was du meinst mit ›in Ordnung‹?«
Aber so ist es nun mal mit dem alten Baum: Du kannst froh sein, wenn du überhaupt was bekommst; und wenn du etwas bekommst, ist das auch alles, was du kriegst.
So saß ich da und sammelte mich noch ein bisschen. Und nach einer Weile erinnerte ich mich daran, was ich gehört hatte und was für ein Gefühl das gewesen war, und da wusste ich es einfach.
Ich kletterte herunter, und als ich unten war, lehnte ich
mich gegen den Baum, hielt mein Gesicht an seinen alten weißen Stamm und sagte: »Danke.«
Dann ging ich den Berg hinab Richtung Zuhause. Ohne mich nur ein bisschen weniger einsam zu fühlen, aber zumindest war ich jetzt ein Stück hoffnungsvoller.
Ein paar Tage später sagte Daddy beim Abendbrot, während Mama dabeisaß: »Ida B, Mama wird jetzt bei ihren Behandlungen ein anderes Mittel bekommen, damit sie sich danach nicht mehr so schlecht fühlt. Es wird deiner Mama also bald besser gehen.«
»Evan«, sagte Mama sofort und warf Daddy einen strengen Blick zu. »Das ist noch längst nicht sicher«, erklärte sie ihm, und ihr Gesicht wurde weicher, während sie sprach. Als sie fertig war, legte sie ihre Hand auf seine.
Dann wandte sie sich zu mir. »Wir hoffen , dass es besser wird, Kleines. Ich werde eine Zeit lang jede Woche eine Behandlung kriegen, aber
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