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Idealisten der Hölle

Idealisten der Hölle

Titel: Idealisten der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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kommen.
    Arm blickte zu ihm auf. »Es besteht die Möglichkeit, daß sie mit uns fertig werden«, sagte er. Er zeigte die Zähne.
    Der Schlüssel rasselte wieder im Schloß, und etwas drückte mit der Schulter gegen die Türfüllung. Riegel wurden zurückgeschoben.
    Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, hielt dann inne. Ein riesiger zwiebelförmiger Kopf schob sich durch den Spalt, starrte einen Augenblick lang vor sich hin und wackelte dann schwerfällig von einer Seite zur anderen. Er war gelb, mit fleischigen, grinsenden Lippen und einer gebogenen römischen Nase von der Größe einer Hand. Die Linien seiner Wangenknochen waren mit großen dunkelfarbigen Geschwülsten übersät, die an schaurige Hammelkoteletts erinnerten. Er war starr und ausdruckslos wie das Gesicht eines toten Tieres.
    Morag schrie auf und faßte nach Harpers Hand.
    (Er war überrascht über die Freude, die ihm das bereitete. Er vergab ihr das Weinen und die bunten Zeitschriften.)
    Die Tür öffnete sich vollends und enthüllte eine seltsame Rassenmischung. Der abscheuliche Kopf saß auf schmalen, gebeugten Schultern. Er schien keinen Hals zu haben. Darunter zuckte ein dünner, fettbäuchiger Körper, der mit einer speckigen schwarzen Jacke, einer grauen, zerfetzten Wollweste und einer grauen, über den Knien abgeschnittenen Wollhose bekleidet war. Die Füße waren nackt, der V-Ausschnitt der Weste gab eine Brust frei, die mit drahtigem weißem Haar bedeckt war. Am linken Aufschlag der Jacke war ein kleines leuchtendes Rechteck aus orangefarbenem Plastik befestigt. Der riesige Kopf pendelte langsam aus, den Blick auf die Gruppe vor Novitäten geheftet wie ein verrückter Geschützturm.
    »Pappmache«, grübelte Arm. Dann: »Zum Teufel, es ist eine Maske.«
    Diese Erkenntnis änderte nichts. Harpers linkes Augenlid begann unangenehm zu zucken. Er hoffte, daß man es nicht sehen konnte. Er ertappte sich dabei, daß er die Hand des Mädchens fest drückte.
    Entschieden trat die beunruhigende Gestalt vor, rückte den Lesetisch zwischen sich und die Gruppe und intonierte mit alter, quengeliger Stimme: »Da Sie sich um eine Stellung in dieser Organisation beworben haben, müssen Sie sich den Aufnahmetests unterziehen.« Sie hustete trocken und fuhr mit nervösen Fingern an ihr kleines Plastikabzeichen.
    »Hören Sie«, begann Harper, »ich fürchte, ich verstehe das alles nicht ganz. Wir wollten nicht hierher kommen …«
    »Ruhe, wenn ich bitten darf.« Wieder das Husten, diesmal mehr aus der Lunge. »Ich bin Grocott Personal.« Schlug auf das Abzeichen am Aufschlag und machte eine bedeutungsvolle Pause. »Ich werde den Test beurteilen und den Graduierten ihre jeweiligen Arbeitsgebiete zuweisen. Sie können sich leise miteinander unterhalten, bis wir soweit sind. Können sich kennenlernen, eh? He, he. Eh?«
    Harpers leicht zu erschütterndes Verständnis der Situation entglitt ihm. Ein Gefühl der Unwirklichkeit stahl sich über die Bibliothek wie ein Nebel.
    »Haben Sie noch irgendwelche Fragen?« rezitierte Personal.
    Harper sagte: »Warum sind wir …?«
    Ein Nicken des ungeheuerlichen Kopfes.
    »Es wird sehr angenehm sein, Zuwendungen von unserer Organisation zu erhalten, junger Mann. Wenn Sie die richtige Einstellung haben, wird es jede Woche eine Rente geben. Gerade letzte Nacht haben wir eine bekommen.«
    Grocott Personal kicherte väterlich.
    »Müssen sich natürlich hocharbeiten.«
    »Nichts wirst du von ihm bekommen«, murmelte Arm an Harpers Seite. »Sei still und halt die Augen offen.« Er deutete auf die Tür.
    Drei weitere groteske Gestalten traten ein, ihre Masken waren kleiner und weniger ausgeklügelt abscheulich als die von Personal. Der erste von ihnen – sein Schädel war mit einer schwarzen glänzenden Masse bestrichen, die Haar darstellen sollte – hielt ein Bündel kurzer, geschnitzter Stöckchen in der Hand; der zweite hatte einen Stapel Papierblätter unter den Arm geklemmt; der dritte trug einen großen gepolsterten Drehstuhl – sein Gesicht war von dunklem Ocker und blätterte ab.
    Sie nickten Personal zu, gaben ihm seinen Stuhl, legten den Blätterstoß vor ihn hin und begannen, von verschiedenen Plätzen der Bibliothek Lesetische zusammenzutragen. Nachdem sie sie geräuschvoll zu einem Viererblock gerückt hatten, der Personals Tisch gegenüberstand, legten sie auf jeden Tisch sorgfältig ein Blatt Papier und einen geschnitzten Stock. Sie arbeiteten schweigend. Jeder kontrollierte die Bemühungen der beiden

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