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Identität (German Edition)

Identität (German Edition)

Titel: Identität (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Chaon
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herfielen. Es war ein paar Tage nach Neujahr, in Cleveland schneite es, und Miles und seine Mutter standen da in ihren Wintermänteln, schmelzende pusteblumenflauschige Schneeflocken in den Haaren, während Hayden gegen den Fußboden gedrückt wurde und sich aufbäumte. Er trat um sich und versuchte, sich frei zu strampeln, riss die Augen auf und versuchte zu beißen. «Miles!», weinte er. «Sie dürfen mich nicht mitnehmen! Sie tun mir weh, Miles! Rette mich, rette mich –»
    Aber Miles hatte ihn nicht gerettet.
    «Du bist so still», sagte Lydia Barrie, streckte die Hand aus und strich ihm über den Unterarm, als sei da ein Krümel oder ein Staubkörnchen. «Machst du dir Sorgen?»
    «Ein bisschen», sagte er. «Ich frag mich einfach, wie er wohl reagieren wird. Ich weiß nicht, es ist einfach – ich möchte nicht, dass ihm wehgetan wird.»
    Lydia Barrie seufzte. «Du bist ein lieber Mensch», sagte sie. «Du hast ein gutes Herz, und das ist eine wunderbare Eigenschaft. Aber weißt du was, Miles? Ihm gehen allmählich die Optionen aus.»
    Miles nickte und schaute hinunter, wo Lydias Fingerkuppen leicht auf seinen Handrücken drückten, knapp oberhalb seines Handgelenks.
    «Er hat sich in eine Ecke hineinmanövriert», sagte Lydia. «Und ich habe den argen Verdacht, dass ein paar äußerst üble Leute hinter ihm her sind. Weit gefährlichere Leute, als ich es bin.»
    Diese Vermutung hatte er selbst gehabt, als er diesen Brief von Hayden bekommen hatte. Ich bin untergetaucht, sehr tief untergetaucht, aber jeden Tag musste ich daran denken, wie sehr Du mir fehltest. Es war einzig meine Angst um Deine Sicherheit, die mich davon abhielt, mit Dir Kontakt aufzunehmen …
    «Ja», sagte Miles. «Du hast wahrscheinlich recht.»
    Und wieder musste er an dieses Foto von Hayden und Rachel denken, wie sie an Weihnachten auf der Couch saßen. Er hoffte, dass sie noch immer zusammen waren – dass Rachel mit ihm in der Wetterstation sein würde. Den Augenblick, wo er und Lydia die Tür öffneten, konnte er sich gut vorstellen: Hayden und Rachel in dem winzigen schuppenartigen Raum, verhärmt und erschrocken – und wahrscheinlich abgemagert. Wovon hatten sie sich schließlich an diesem gottverlassenen Ort ernährt? Fisch? Konserven? Hatten sie dort duschen können? Würden sie zottelhaarig wie Einsiedler sein?
    Zweifellos würden sie im ersten Moment in Panik geraten. Sie würden einen muskelbepackten Schläger erwarten, oder einen flinken, effizienten Killer –
    Und dann würden sie sehen, dass es nur Miles war. Nur Miles und Lydia, ein Bruder und eine Schwester. Und würden sie, nach dem ersten Schauder des Wiedererkennens, nicht dankbar sein? Es würde eine Art Familientreffen sein. Er und Lydia waren gekommen, um sie zu retten, und sie würden begreifen, dass sie nirgendwohin mehr fliehen konnten, dass sie ans Ende gelangt waren.
    Und zumindest war derjenige, der sie gefunden hatte, jemand, der sie liebte.
     
    Das Taxi hatte den Flugplatz erreicht, wo Mr.   Itigaituk auf sie wartete. Lydia bezahlte den Fahrer, dann drehte sie sich um und winkte Mr.   Itigaituk zu, der jetzt auf sie zukam. Er war ein untersetzter schnurrbärtiger Inuit mittleren Alters in Cordjacke, Jeans und Cowboystiefeln und sah eher wie ein Highschool-Mathelehrer als wie ein Privatschnüffler aus.
    Als er Miles sah, runzelte der Mann die Stirn, sagte aber nichts. Er und Lydia gaben sich die Hand, und dann schaute Miles aus einiger Entfernung zu, wie sie sich leise unterhielten. Mr.   Itigaituk musterte Miles dabei skeptisch und nickte dann, ohne die dunklen, ausdruckslosen Augen von seinem Gesicht zu wenden.
    Der Flugplatz lag ungefähr fünfzehn Kilometer außerhalb der Stadt, und Miles bemerkte wieder das endlose Sonnenlicht, unter dem sich die grüne Weite der Tundra in allen Richtungen ausdehnte. In der Ferne blinkten vereinzelte schlammige Moore und Schmelzwassertümpel.
    Gleich ein Stück weiter, auf der Asphaltpiste, stand die kleine sechssitzige Cessna, die darauf wartete, sie nach Banks Island, nach Aulavik zu bringen.

21
    RYAN SCHAUTE AUF, und da stand eine Gestalt in der Tür.
    Er schlief fast, über seinen Computer gebeugt, die Hände in Position, die Fingerspitzen ordentlich nebeneinander auf asdf jklö . Sein Kinn war immer schwerer geworden, bis sein Nacken endlich nachgegeben hatte, seine Ellbogen schlaff geworden waren und seine Stirn einen langsamen Abstieg in Richtung Tischoberfläche eingeleitet hatte.
    Es war ein besonderer

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