Identität (German Edition)
blanker Stoff schimmerte.
«Ist Jay da?», sagte der Mann, und Ryans Körper zuckte unkontrolliert, als er vollständig ins Wachbewusstsein zurückkehrte. «Ich bin ein Freund von Jay», sagte der Mann. Real. Kein Traum.
Der Mann hielt ein schwarzes Plastikgerät in der Hand, das auf den ersten Blick so aussah, als könnte es ein Elektrorasierer sein. Etwas, das sich an den Computer anschließen ließ? Ein Kommunikationsgerät, wie ein Handy oder ein Empfänger, mit zwei Metallklauen, die zangenartig aus dem einen Ende herausschauten?
Der Mann kam schnell näher und hielt das Ding dabei vor sich ausgestreckt, als böte er es Ryan an, und Ryan griff tatsächlich für einen Augenblick danach, direkt bevor der Mann es ihm gegen die Kehle drückte.
Es war ein Taser, begriff Ryan.
Er spürte den elektrischen Strom, der durch ihn hindurchschoss. Seine Muskeln krampften sich schmerzhaft zusammen, und er spürte die Spasmen in seinen schlenkernden Armen und Beinen und seiner Zunge, die sich in seinem Mund verhärtete, ein dicker Klumpen Fleisch, an dem er ein kehliges Gurgeln vorbeipresste. Seine zitternden Lippen versprühten Speichel.
Und dann verlor er allmählich das Bewusstsein.
Es war keine Halluzination. Es war nichts als Leere, dicke, verschwommene schwarze Flecke, die sich in sein Gesichtsfeld hineinzudrängen begannen. Wie Schimmel, der sich in einer Petrischale ausbreitet. Wie die Emulsionskörnchen eines verschmorenden Films.
Und dann: Stimmen.
Jay – sein Vater – nervös, ausweichend.
Dann eine ruhige Erwiderung. Eine Stimme aus einer Entspannungs-CD?
Ich suche Jay. Können Sie … mir da helfen?
Autsch, sagte Jay, leicht schrill.
Ich weiß nicht, ich weiß
Sagt Ihnen der Name Jay Kozelek etwas?
Ich …
Wo ist er?
… weiß nicht
Ich brauche nur eine Adresse. Wir können es ganz kurz und schmerzlos machen.
Ehrlich
Was immer Sie mir sagen können, wird uns allen eine große Hilfe sein.
Ehrlich, ich schwöre bei Gott
ich w
Ryans Kopf hob sich, aber sein Hals fühlte sich wie ein schlapper Stängel an. Er saß auf einem Stuhl und spürte den Druck des Klebebandes, das ihn – seine Unterarme, seine Brust, seine Taille, seine Waden, seine Fußknöchel – fixierte, und als er probeweise die Muskeln anspannte, merkte er, dass er sich nicht rühren konnte. Seine Augen gingen einen Schlitzbreit auf, und dann sah er, dass er und Jay einander gegenüber am Küchentisch saßen. Er sah, dass Jay ein Rinnsal von Blut aus dem Haar lief, über die Schläfe und das linke Auge und dann an der Nase entlang in den Mund. Jay machte ein schniefendes Geräusch, als ob er erkältet sei, und ein paar Tröpfchen Blut spritzten aus ihm hervor und besprenkelten die Tischplatte.
«Schauen Sie», sagte Jay demütig zu dem Mann. «Sie wissen doch, wie es in diesem Geschäft ist. Die Leute sind nicht zu fassen. Ich kenn den Typen kaum», sagte er eifrig, hilfsbereit, noch immer bemüht, sich an sein altes Charmeur-Ich zu klammern. «Sie wissen wahrscheinlich mehr über ihn als ich.»
Und der Typ, der über ihm stand, dachte darüber nach.
«Ach, wirklich», sagte er und stand da und sah auf Jay hinunter.
Es war der Typ, der Ryan den Stromstoß verpasst hatte, und zum ersten Mal konnte Ryan ihn sich richtig ansehen. Er war ein ziemlicher Fettsack, Ende zwanzig, schmale Schultern und breite Hüften, schätzungsweise ein bisschen größer als eins achtzig. Er trug einen glänzenden schwarzen italienischen Anzug, wie ihn ein Mafioso tragen könnte – nur dass er gar nicht wie ein Gangster aussah. Er hatte einen jungenhaften, kartoffelförmigen Kopf, einen Schopf von strohfarbenem Haar und erinnerte Ryan an niemand so sehr wie an den Studenten aus einem höheren Semester, der in seinem Computerkurs auf der Northwestern dem Dozenten assistiert hatte.
«Weißt du was», sagte der Typ, «ich glaub dir nicht.»
Er hob die Faust und rammte sie Jay ins Gesicht. Fest. So fest, dass Jay nach hinten kippte und weitere Blutströpfchen aus seinem Mund spritzten und Jay einen spitzen, überraschten Japser ausstieß.
«Das ist ein Missverständnis!», sagte Jay. «Hören Sie, Sie haben einfach den Falschen erwischt, das ist alles. Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Sagen Sie mir, was Sie von mir hören wollen!»
Ryan versuchte währenddessen, sich so unauffällig und leise wie möglich zu verhalten. Er hörte Geräusche – allerlei unbestimmte dumpfe und scheppernde Geräusche im Nebenzimmer, und
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