Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
Geschick vorgeben
     würde. Und als ich mich eigens nach Florenz begab und Francesco di Medici Bericht erstattete, hatte auch dieser seine Zweifel.
     »So wie die Frauen beschaffen sind, will heißen: nur gezwungenermaßen tugendhaft«, sagte er zu mir, »kann man schwerlich glauben,
     daß Paolo Vittoria nicht willfährig gefunden und wie ein Bruder an ihrer Seite geschlafen haben soll. Wo ihm doch in ganz
     Italien noch nie ein Herz oder ein Leib widerstanden hat und er ein so gutaussehender Mann ist, noch dazu einer jener Helden,
     in die das schwache Geschlecht vernarrt ist. Außerdem hätte sich Paolo wohl kaum mit seiner Niederlage gebrüstet, wenn es
     denn eine war!«
    Ich jedenfalls fand, daß die Geschichte nach Betrug roch und Marcellos Entlassung nur ein geschicktes Täuschungsmanöver war,
     hatte doch Paolo diesem Nichtsnutz so viel zärtliche Zuneigung bewiesen, daß er ihn an Bord sogar in sein Zimmer lud, während
     er mir – seinem Cousin! – den Ersten Offizier als Tischgenossen zuwies.
    Medici händigte mir zehntausend Dukaten als Lohn für die Mühe und die Unkosten aus, die mir durch die Reise entstanden waren,
     und forderte mich auf, diese Affäre aufmerksam weiterzuverfolgen, um zu verhindern, daß Virginios Erbe eines Tages durch eine
     zweite Ehe des Fürsten gefährdet würde. Während meines Aufenthaltes in Florenz sah ich Virginio einige Male, und da ich an
     die Zukunft dachte, mühte ich mich um seine Gunst. Ich fand ihn anders als in seinen jungen Jahren: besonnen, kühl, aufmerksam;
     ein genauer Beobachter, der wenig spricht. Kurzum, bereits ein Medici, ohne das sagenhafte Feuer der Orsinis. Er gab mir nicht
     einen Piaster. Aber vielleicht |223| wußte er auch, daß sein Onkel mich bereits entlohnt hatte. Übrigens fand ich, daß mich die Medicis ziemlich schlecht für meine
     Dienste bezahlten. Aber da Paolo beschlossen hatte, mir keinen roten Heller mehr zu pumpen, hatte ich keine Wahl. Im Grunde
     genommen bedauerte ich das. Ich mag die Medicis nicht. Ich kann diese Bankiers und Krämerseelen nicht riechen.
    Bei meiner Rückkehr nach Rom setzte ich einen Spion auf Paolo an. Ich wählte ihn sorgfältig unter den Verbannten aus, denen
     ich in meinem Palazzo Unterkunft und Verpflegung gewähre. Ich verstoße damit gegen die päpstlichen Gesetze, denn da ich zur
     jüngeren Linie der Orsinis gehöre, bin ich nicht berechtigt, Asyl zu gewähren, wie ich wohl bereits erläutert habe.
    Mein Mann war ein Mönch, der die Kutte hatte ablegen müssen, um so den Verliesen des Klerus zu entgehen: er hatte gegen seine
     Ordensregeln verstoßen. Ich bewog ihn, für die Überwachung des Fürsten die Kutte wieder anzuziehen, denn niemand fällt in
     Rom weniger auf als ein Ordensgeistlicher – es gibt deren Tausende hier –, der sein Gesicht leicht verbergen kann. Eine Maske
     auf der Straße würde auffallen, nicht aber eine Kapuze, die man sich bescheiden in die Stirn und über die Augen zieht, um
     den Versuchungen dieser Welt zu entgehen.
    Da Paolo häufig ausritt, überließ ich dem Mönch ein Maultier, das auf den Landstraßen außerhalb Roms natürlich nicht mit den
     schnellen Pferden des Fürsten hätte mithalten können, innerhalb Roms aber dank den chaotischen Verkehrsverhältnissen nicht
     abzuhängen war. Wie mir zu Ohren gekommen war, hatte Vittoria Peretti das Reiten aufgegeben, so daß ich annehmen durfte, die
     beiden treffen sich an einem verschwiegenen und geheimen Ort in der Stadt.
    Acht Tage vergingen, ohne daß mein Spion mir etwas vermeldete. Erst am Abend des neunten Tages ließ er mich um eine Unterredung
     bitten und erschien ganz verstört vor mir, mit zitternden Händen und schlotternden Knien.
    »Herr Graf‹, sagte er, »ich bin der Sache auf die Spur gekommen, aber bitte entbindet mich gütigst von diesem Auftrag, andernfalls
     wird man mich töten.«
    »Und wo hast du die Spur entdeckt, Giacomo?«
    »Im Haus der Witwe Sorghini.«
    »Sieh mal an, was für ein Zufall!«
    »Die Rückseite des Hauses geht auf eine Sackgasse, in der |224| sich eine Portaleinfahrt befindet. Durch sie gelangt man in einen Gang zu einer kleinen Kapelle, deren Tür offensteht; am
     Ende des Ganges befindet sich noch eine andere, dunkelgrüne Tür, die verschlossen ist. Die Signora und auch der Fürst haben
     einen Schlüssel dazu.«
    »Und wo ist die Gefahr für dich?«
    »Eine tödliche Gefahr, Herr Graf, der ich kein zweites Mal entkommen werde. Ich sah den Fürsten von der Gasse

Weitere Kostenlose Bücher