Idol
beschloß ich, keinen Widerstand zu leisten.
»Ja, Monsignore«, sagte ich, »das Unvermeidliche ist geschehen. Ich kann es nicht beweisen, doch ich bin dessen sicher.«
»Ach, das ist ärgerlich«, meinte Cherubi ernst. »Der Heilige Vater wird über diese Nachricht sehr betrübt sein, und da er
die Gabe hat zu weinen, wird er gewiß einige Tränen vergießen.«
Cherubi sagte das ohne den Anflug eines Lächelns und ohne jede Ironie, er schien schon im voraus den Kummer des Papstes zu
teilen.
»Doch was kann er tun?« fragte ich.
»Nichts«, sagte Cherubi, »das ist ja gerade das Betrübliche. Den Ehemann warnen, das bringt nichts. Er würde sich nur wieder
damit begnügen, die flatterhafte Dame einzusperren, und unserem Helden gelänge früher oder später ihre Befreiung.«
In diesem Punkt hatte er recht, trotzdem wurde ich stutzig. Ehebruch ist auch im Kirchenstaat keine seltene Sünde und kein
außergewöhnliches Verbrechen, und ich fragte mich, was der Papst an dieser schuldhaften Liebe so bedauerlich fand.
»Ich verstehe die Besorgnis des Heiligen Vaters«, sagte ich. »Er befürchtet zweifellos, daß Peretti durch einen Unfall zu
Tode kommen könnte.«
»Diese Befürchtung hat der Heilige Vater niemals geäußert«, entgegnete Cherubi. »Doch so, wie die Menschen beschaffen sind,
kann man diese Möglichkeit nicht a priori von der Hand weisen. Was meint Ihr?«
Ich gab mich nun eher reserviert und antwortete: »Euer Eminenz, Paolo Giordano ist mein leiblicher Cousin. Außer seinem Sohn
hat er niemanden, der ihm näher verwandt ist als ich. Und ich bin ihm sehr zugetan.«
»Genau, wer kennt ihn besser als Ihr?«
»Es stimmt, daß Paolo sehr leidenschaftlich ist. Wie alle leidenschaftlichen Menschen ist er unberechenbar. Und das um so
mehr, als sein Kriegsruhm ihm etwas zu Kopf gestiegen ist. Die Gesetze des Staates, meine ich, könnten ihn nicht aufhalten.
Er glaubt, darüber erhaben zu sein.«
Während ich diese Worte mit sanfter Miene sprach, friedlich am Tisch vereint mit einem hohen kirchlichen Würdenträger, |229| mußte ich plötzlich belustigt daran denken, wie zur gleichen Zeit meine beiden Raufbolde in den Nora-Bergen Lösegelder erpreßten
oder gar – wer weiß? – die Reisenden kaltmachten, denn natürlich saß ihnen die Blutgier im Leib.
»Ihr weist also die Möglichkeit, Peretti könnte einen Unfall erleiden, nicht von der Hand?« wiederholte Cherubi.
»Leider nein. Und darf ich Euer Eminenz auch eine Frage stellen?«
»Bitte.«
»Wenn die von uns geäußerte Hypothese sich bestätigen sollte, würde der Vatikan es dann wagen, Paolo zu verhaften?«
»Er würde besser daran tun, ihn um den Lohn seines Verbrechens zu bringen«, sagte Cherubi.
»Soll das heißen: Vittoria Peretti einzukerkern?«
»Wer eine Kette zerreißen will«, meinte Cherubi sentenziös, »muß immer das schwächste Glied angreifen.«
Seine Worte erfüllten mich mit Zufriedenheit, die aber nicht lange vorhielt, denn ich erfaßte sofort den kritischen Punkt
dieses Plans.
»Unser Held würde für ihre Befreiung zu den Waffen greifen.«
»Das kann sein«, sagte Cherubi unbewegt, »doch wir denken, mit ihm fertig zu werden, wenn …«
»Wenn, Euer Eminenz?«
»… Ihr ihm nicht mit Euern Truppen zu Hilfe kommt …«
Na also, dachte ich. Da ist endlich der Grund für diese Einladung, Cherubis Offenheit und seine freimütigen Antworten. Nicht
nur, daß meine Männer für Paolo eine nicht zu verachtende Unterstützung darstellten – weil die kleinen Leute in Rom auf mich
hören, könnte der Gedanke einer Revolte, wenn ich mich dafür einsetze, um sich greifen, und das wäre äußerst bedrohlich für
den Heiligen Vater.
Ich schwieg einen Moment, nicht weil ich um eine Antwort verlegen war, sondern um meinen Worten mehr Gewicht zu verleihen.
»Monsignore«, begann ich schließlich, »Ihr wißt sehr wohl, daß ich in dieser Sache keine Sympathie für die Launen meines Cousins
empfinde. Und obwohl ich ihm sehr zugetan bin, kenne ich meine Pflichten gegenüber Seiner Heiligkeit zu genau, als daß ich
a priori die Möglichkeit ausschließen würde, |230| mich aus einem Konflikt herauszuhalten, der aus Paolos Tollheiten erwachsen könnte. Ich möchte jedoch hinzufügen, daß zu gegebener
Zeit über meine Neutralität verhandelt werden müßte.«
»Das wird auch geschehen«, sagte Monsignore Cherubi.
»Durch Eure Vermittlung?«
»Durch meine Fürsprache.«
Er lächelte, zufrieden
Weitere Kostenlose Bücher