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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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noch drei Tage tragen …«
    »Trotzdem. Auf dem Gang zum Hochgericht möchte ich anständig angezogen sein.«
    »Gut, es wird dir zurückgegeben.«
    »Vielen Dank, Signor Bargello«, sagt er mit Wärme. Er macht Anstalten, mir die Hände zu küssen, die Wachen halten ihn jedoch
     zurück und führen ihn auf ein Zeichen von Alfaro ab.
    »Geh ins Gefängnis, Alfaro, und sorge dafür, daß Barca sein Wams zurückbekommt. Man soll ihn bis zu seinem Ende anständig
     behandeln und ihm gutes Essen geben.«
    »Jetzt gleich, Signor Bargello?«
    »Ja, jetzt gleich. Warum immer alles aufschieben? Sag dem Henker auch, er solle Barca heimlich erdrosseln, bevor er ihm den
     Strick umlegt.«
    »Für diesen kleinen Liebesdienst verlangt der Henker im allgemeinen zehn Piaster vom Verurteilten.«
    »Zehn Piaster sind nicht zuviel für ein Wams aus Büffelleder, das er ohne Barcas Beschwerde nicht bekommen hätte. Wenn ihn
     diese Überlegung nicht überzeugt, sag ihm, das ist ein Befehl.«
    Ich gehe nach Hause, esse und trinke wie gewöhnlich mit gutem Appetit und verbringe den Nachmittag über meinem Bericht. Ausführlich
     schildere ich alle Details der verschiedenen |262| Zeugenaussagen und schließe damit, daß es beim derzeitigen Stand der Erkenntnisse unmöglich sei,
primo
: den Drahtzieher in diesem Mordfall ausfindig zu machen;
secundo
: mit Bestimmtheit zu sagen, daß es schuldhafte Beziehungen zwischen Vittoria Peretti und einem »gewissen edlen Herrn« gegeben
     habe; oder
tertio
: etwa nachzuweisen, daß Vittoria Peretti (be ziehungsweise jemand aus ihrer Umgebung) Komplizin des Mörders gewesen sei. Meine Überzeugung sei vielmehr, daß sie nichts mit der Sache
     zu tun hat.
    Noch am selben Abend übergebe ich meinen Bericht dem Gouverneur, der ihn lesen wollte, bevor er dem Papst zugestellt würde,
     denn Seine Heiligkeit hat den Wunsch geäußert, höchstpersönlich davon Kenntnis zu nehmen. Am nächsten Tag läßt Portici mir
     ein paar Zeilen zukommen, er finde meinen Bericht ganz ausgezeichnet und werde ihn noch selbigen Tages in den Vatikan bringen.
    Eine Woche später bestellt mich Portici zu sich. Beim Eintreten bemerke ich sofort, daß er meinem Blick ausweicht. Er kommt
     mir sorgenvoll und irritiert vor. Nach einer nichtssagenden langen Vorrede teilt er mir schließlich mit, daß Seine Heiligkeit
     beschlossen habe, Vittoria Peretti und ihre Zofe in der Engelsburg gefangenzusetzen.
    Mir verschlägt es die Sprache. Als ich sie endlich wiederfinde, sage ich:
    »Beim gegenwärtigen Stand der Untersuchung ist es mangels Beweisen unmöglich, Vittoria Peretti den Prozeß zu machen.«
    »Das weiß der Vatikan auch. Deshalb hat er nicht die Absicht, ihr den Prozeß zu machen, sondern will sie nur einsperren.«
    Meine Überraschung wandelt sich in Betroffenheit:
    »Für wie lange?«
    »So lange, bis der Fürst sich eine Heirat mit ihr aus dem Kopf geschlagen hat.«
    »Der Vatikan«, sage ich mit Mühe, »ist also überzeugt, daß es zwischen ihr und dem Fürsten schuldhafte Beziehungen gegeben
     hat?«
    »Ja.«
    Ich starre Portici an und finde keine Worte.
    »Konntet Ihr in Erfahrung bringen, Exzellenz, worauf sich diese Überzeugung gründet?«
    »Nein. In dem Punkt bin ich gegen Mauern gestoßen.«
    |263| Nach einem Moment fahre ich fort:
    »Wenn ein Ehebruch begangen worden ist, halte ich es für wenig wahrscheinlich, daß die Signora oder der Fürst ihn gebeichtet
     haben.«
    »In der Tat ist das wenig wahrscheinlich.«
    »Ich weiß nicht, ob Kardinal Montalto die Einkerkerung seiner Nichte ohne Urteilsspruch sehr gefallen wird.«
    »Seine Heiligkeit hat nie versucht, Kardinal Montalto für sich einzunehmen.«
    Das stimmt. Aber andererseits kann der Papst doch nicht, nur weil er Montalto ärgern will, dessen Nichte einsperren. Ich schweige
     und spüre nichts als Bitterkeit in mir. Wenn der Vatikan eine andere Politik als die Corte macht, wenn er sich eher von seinen
     eigenen Ansichten als von meinen bestimmen läßt, wozu bin ich dann noch nütze?
    »Exzellenz …«
    Ich verstumme und überlege. Der Papst ist nicht nur oberster Herr über die gesamte Christenheit. Er ist auch mein Gebieter,
     dem ich Loyalität und Gehorsam schulde.
    »Sprecht ohne Furcht, Della Pace«, sagt Portici gütig, »Eure Worte werden nicht über die Mauern dieses Zimmers hinausdringen.«
    Ich sehe ihm an, daß er ebenso konsterniert ist wie ich selbst.
    »Denkt Ihr nicht, Exzellenz, daß diese Einkerkerung von allen betroffenen

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