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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Palästen für ihre Sicherheit.
    Mein Emissär war ein Mönch, ein Mann von großer Geistesgegenwart und Beherztheit. Als er bemerkte, von welcher Angst die hohen
     Herren erfüllt waren, wagte er mit dem Fürsten Paolo ein Gespräch unter vier Augen; er gab sich zu erkennen und fragte, zu
     welchen Bedingungen die Rebellen zum Friedensschluß mit dem Papst bereit wären.
    Fürst Paolo führte ihn in einen kleinen Raum, verriegelte die Tür und sagte:
    |286| »Zwei Bedingungen müssen erfüllt werden. Die erste: um Mitternacht wird eine Kutsche mit einem Wappen, von einer Schar meiner
     Berittenen bewacht, am hinteren Tor der Engelsburg auf zwei Frauen warten, die der Papst wider Recht und Gesetz gefangenhält.
     Sollten sie bis ein Uhr morgens nicht die Kutsche bestiegen haben, werden meine Soldaten mit dem Sturmbock eines der Tore
     zum Vatikan angreifen.«
    »Und die zweite Bedingung, Durchlaucht?«
    »Sie wird einhellig gestellt, doch ich nenne sie Euch nur mit größtem Widerstreben: die Nobili verlangen den Kopf von Della
     Pace.«
    »Das ist ja gräßlich, Durchlaucht!«
    »Ja, das ist es. Aber nur um diesen Preis bekommt der Papst Frieden.«
    »Aber, Durchlaucht, selbst wenn der Papst bereit ist, seinen Bargello zu opfern, muß man bezweifeln, daß sich der Pöbel mit
     dieser Trophäe zufriedengibt, verlangt er doch mit aller Gewalt die Abdankung Seiner Heiligkeit.«
    »Keine Sorge. Wir haben genügend Soldaten und Arkebusen und werden das Volk auseinanderjagen.«
    »Eure Verbündeten, Durchlaucht?«
    »Was sollen wir sonst machen? Wollt Ihr, daß es mit dieser abscheulichen Anarchie weitergeht? Dann fielen am Ende auch wir
     ihr zum Opfer.«
    »Durchlaucht, Eure Bedingungen werde ich gewissenhaft übermitteln.«
    »Versteht mich recht: die eine Bedingung gilt nichts ohne die andere. Wenn die erste nicht erfüllt wird, wäre es nutzlos,
     die zweite zu erfüllen.«
    »Verzeiht meine Offenheit, Durchlaucht: aber was geschähe, wenn nur die zweite erfüllt würde und der Adel damit zufrieden
     wäre?«
    »Dann würde ich die Belagerung fortsetzen, und der Pöbel würde mir folgen. Wollen wir wetten, daß ich morgen mittag den Vatikan
     in meiner Gewalt haben werde?«
    »Der Papst wird Euch exkommunizieren.«
    »Seid Ihr gekommen, um zu verhandeln oder um mir zu drohen?«
    »Vergebung, Durchlaucht, wenn ich ohne Umschweife zu Euch sprach. Darf ich fortfahren, oder soll ich schweigen?«
    |287| »Redet bitte weiter. Das Gespräch mit Euch ist sehr lehrreich für mich.«
    »Was wird geschehen, wenn der Vatikan die Belagerer mit Kanonen beschießt?«
    »Auch ich habe Kanonen. Und statt das Hauptportal des Vatikans nur mit dem Sturmbock zu kitzeln, werde ich es zerschmettern
     lassen. Ihr wißt, was dann geschieht. Die Menge wird durch diese Bresche eindringen und alles plündern, alles totschlagen.«
    »Ihr würdet ein solches Gemetzel dulden?«
    »Wie sollte ich es verhindern?«
    »Oh, Durchlaucht! Und das alles wegen einer Frau!«
    »Verzeiht mir, Pater, aber Euch fehlt die Kompetenz, diesen Punkt zu diskutieren. Kehrt zurück, und übermittelt getreulich
     meine Bedingungen!«
    Als der Mönch wohlbehalten zurückgekehrt war und mir dieses Gespräch wiedergab, glaubte ich meinen Ohren nicht zu trauen,
     so beleidigend erschien mir die zweite Forderung – den Kopf Della Paces der Menge zu opfern – für denjenigen, an den sie gerichtet
     war. Und um sie nicht selbst dem Papst vortragen zu müssen, entschloß ich mich, den Mönch zum Heiligen Vater zu führen und
     ihn selber berichten zu lassen.
    Wir betraten das Audienzzimmer, als der Papst gerade mit dem Hauptmann der Schweizergarde und einem Dutzend hoher Würdenträger
     des Vatikans in größter Angst die Frage erörterte, ob man die Kanonen sprechen lassen solle oder nicht. Der Hauptmann verwarf
     diesen Vorschlag entschieden, denn er hielt eine Beschießung mitten in der Stadt, wo schon die kleinste Mauer die Angreifer
     gegen unsere Kugeln schützte, für wenig wirkungsvoll. »Das wird sie nur noch mehr in Wut bringen«, wiederholte er mit seinem
     stark ausgeprägten deutschen Akzent.
    Der Heilige Vater, der mich bemerkt hatte und sicher ahnte, daß ich Neuigkeiten brachte, ließ mich näher treten. Ich kniete
     nieder, küßte seinen Pantoffel (nicht einmal unter solchen Umständen kürzte er diese Zeremonie ab), erklärte die Anwesenheit
     des Mönchs und bat, ihn anhören zu wollen.
    Während der Mönch berichtete, musterte ich die Gesichter des

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