Idol
worden waren. Sie sympathisierten
insgeheim immer noch stark mit ihren früheren Anschauungen |284| und konnten es Gregor XIII. nicht verzeihen, daß er mit einer prunkvollen Dankmesse das Massaker unter den Pariser Protestanten
in der Bartholomäusnacht gefeiert hatte. Sogar in Rom waren etliche Katholiken über diese Messe und über die Freudenfeuer
entsetzt, die der Papst auf allen öffentlichen Plätzen hatte anzünden lassen.
Schlimmer noch war die Schwäche, die die Regierung Gregors XIII. ungeachtet ihrer Tyrannei allenthalben zeigte. Weil sie nach
Perettis Ermordung nicht wagte, sich mit dem Fürsten Orsini anzulegen, hatte sie eine Frau verhaftet, die offensichtlich nicht
an dem Verbrechen beteiligt war. Den durch diese Einkerkerung herausgeforderten Fürsten hatte man zu lähmen gehofft, indem
man sich die Neutralität einer zwielichtigen Person erkaufte. Und da man ein Mißlingen dieses Schachzugs von vornherein ausschloß,
hatte man keine Alternativen erwogen und auch nicht rechtzeitig besondere Vorkehrungen – wie etwa die Verstärkung der Schweizergarde
– getroffen.
Die Erhebung traf die Regierung völlig unerwartet und erwies sich um so bedrohlicher, als sich das Volk sofort dem Adel anschloß.
Erstens, weil es die Sbirren und die Verwandten des Papstes verabscheute. Und zweitens, weil es nicht nur Lodovico sehr zugetan
war, sondern allen Nobili, wegen ihrer Freigebigkeit. Selbige kostete die adligen Herren wenig, da sie viel Geld aus ihren
Bauern preßten, mit denen sie ebenso hart verfuhren, wie sie sich den städtischen Plebejern gegenüber großzügig zeigten. Denn
sie fürchteten die verstreut lebende Landbevölkerung wenig, während sie mit den Plebejern in der Stadt, deren Zahl und Nähe
sie bedrohlich fanden, behutsam umgingen, um sich auf billige Art eine nützliche Anhängerschaft für den Notfall zu sichern.
Noch mit blutüberströmtem Gesicht kam Della Pace zu mir und erstattete Bericht über das unglückselige Scharmützel, das ohne
sein Verschulden – denn er hatte keinen Schießbefehl erteilt (im Gegensatz zu den späteren Behauptungen Lodovicos, aber auf
eine Lüge mehr oder weniger kommt es diesem sauberen Herrn nicht an) – Raimondo Orsini und Silla Savelli das Leben gekostet
hat. Ich schickte an die neuralgischen Punkte der Stadt Kundschafter, die mit höchst beunruhigenden Nachrichten zurückkamen:
auf Betreiben von Fürst Paolo organisierten sich die Nobili ohne Verzug und verteilten bereits Hieb- |285| und Stichwaffen an ihre jeweilige Gefolgschaft, wobei sie klugerweise die Arkebusen für sich einbehielten. Das Volk lief auf
der Straße zusammen, machte Jagd auf Sbirren und hatte schon mehr als einen umgebracht. Alle Beutelschneider und Strauchdiebe
kamen aus ihren Schlupflöchern, bereit, ihren üblichen Geschäften nachzugehen, zu rauben, zu plündern, zu morden.
Ich ließ die Verwandten des Papstes warnen, sie sollten sich eiligst im Vatikan in Sicherheit bringen (denn man vergriff sich
schon an ihrer Dienerschaft), und begab mich dann mit Della Pace selbst dorthin. Umgehend wurden alle Gebäude für den Belagerungszustand
vorbereitet, die Ausgänge bis auf einen verbarrikadiert und die Kanonen auf die Angreifer gerichtet. Der Vatikan hatte bereits
eine Botschaft an das Königreich beider Sizilien gesandt und die dort unter dem Kommando eines österreichischen Generals einquartierten
spanischen Truppen um sofortige Hilfe ersucht. Aber wer die Langsamkeit Philipps II. von Spanien in all seinen Entscheidungen
und die Langsamkeit der Österreicher bei deren Ausführung kannte, durfte erst in frühestens drei Wochen mit Hilfe rechnen.
Und so, wie die Dinge ihren Lauf genommen hatten, wären schon drei Tage zu spät gewesen. Man sah bereits Leute mit Fackeln
um den Vatikan rennen und schreien, sie würden »den alten Fuchs ausräuchern«.
Durch die kleine Geheimtür, die ich nicht hatte vermauern lassen, die aber stark bewacht wurde, sandte ich bei Nacht mehrere
Emissäre aus, von denen einer nach Montegiordano, dem Hauptquartier der Rebellion, gehen sollte. Er gelangte auch hin, so
groß waren das Gewühl und die Bewegung in den Straßen, und sah, wie die Nobili jubelten und zugleich verwirrt waren über den
nahen Sieg, mit dem sie eigentlich nichts anzufangen wußten, zumal die Zügellosigkeit des Volkes sie beunruhigte: obwohl nur
sie selbst mit Arkebusen bewaffnet waren, fürchteten sie in ihren eigenen
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