Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
Kutsche zu, und nachdem wir so vor neugierigen Blicken geschützt waren, wandte sich Francesco an
     mich:
    »Wie denkt Ihr darüber? Wird der Papst das
precetto
aussprechen? Er schien mir sehr zu zögern.«
    »Ach, Francesco!« lachte ich, »Ihr habt zwar die Chemie der Materie gründlich studiert, die der Seele aber ist Euch fremd.
     Wenn der Heilige Vater überhaupt gezögert hat, dann
vor
unserem Besuch. Jetzt aber ist er heilfroh. Wenn Ihr mir dieses Bild gestattet, möchte ich behaupten, wir haben ihm den Kopf
     von Paolo Giordano auf einem silbernen Tablett überreicht, ohne daß der Papst sich die Hände schmutzig machen muß, um ihn
     abzuschneiden. Von nun an kann er sich vor der Heiligen Kongregation darauf berufen, das
precetto
auf unser Ersuchen hin verkündet zu haben. Und zum Beweis kann er auch noch unseren schriftlichen Antrag vorzeigen …«
    »Was ich in dieser Sache getan habe«, sagte Francesco nach kurzem Schweigen, »habe ich für Virginio getan. Aber es bekümmert
     mich sehr! Armer Orsini! Er hat eine ganze Revolution vom Zaune gebrochen, um diese Frau aus dem Kerker zu befreien und zu
     seiner Gattin zu machen. Und nach Verkündigung des
precetto
wird sie nur mehr seine Metze sein.«

[ Menü ]
    |323| KAPITEL XI
    Fürst Paolo Giordano Orsini, Herzog von Bracciano:
     
    Am 28. Juli 1584 überbrachte mir ein berittener Kurier in Bracciano das
precetto
Gregors XIII., durch das meine Ehe annulliert wurde. Es war abends sieben Uhr, als ich mich mit Vittoria gerade zu Tisch setzen
     wollte. Ich erbrach das Siegel und überflog mit ungläubigen Augen dieses Monstrum an Ungerechtigkeit und Scheinheiligkeit.
    An keiner Stelle war gesagt, daß ich mit Vittorias Beihilfe und zu dem Zwecke, sie heiraten zu können, Peretti hätte töten
     lassen, doch es wurde überall durch Andeutungen, die schlimmer sind als deutliche Worte, suggeriert, wobei das Ganze mit einem
     salbungsvollen Predigerstil verbrämt war.
    Das
precetto
, hieß es, sei vom Heiligen Vater und seinen Räten nach reiflicher Überlegung und »einer überaus schmerzlichen Gewissenserforschung«
     auf den ausdrücklichen Antrag des Kardinals di Medici und des Großherzogs von Toskana hin erlassen worden.
    Bebend vor Wut, reichte ich das
precetto
Vittoria, die mich mit wachsender Unruhe beobachtet hatte, während ich das Schriftstück studierte.
    Vittoria überflog das Schreiben und erbleichte, weinte aber nicht. Sie las es dann noch einmal langsam, faltete schließlich
     das Pergament und gab es mir wortlos zurück.
    »Was hältst du davon, Vittoria?«
    Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter und sagte:
    »So schmerzlich das
precetto
für uns ist, es trifft uns nicht so hart, wie es uns treffen sollte: wir leben, und wir lieben uns.«
    »Und trotzdem ist es eine Infamie«, sagte ich und zog sie an mich. »Ich hätte den Pöbel gewähren und diesen alten Fuchs in
     Stücke hauen lassen sollen.«
    »Nein, Paolo, nein!« entgegnete sie lebhaft. »Es war gut so, wie du gehandelt hast. Den Papst auf seinem Thron zu töten wäre
     ein Skandal für die ganze Christenheit gewesen.«
    |324| »Aber der nämliche Papst rächt sich nun kleinlich an mir zum Dank, daß ich ihm das Leben gerettet habe.«
    Völlig unerwartet fing sie an zu lachen:
    »Du hast sein Leben doch erst bedroht, Paolo! Du hast ihn in seinem goldenen Palast zittern lassen. Das verzeiht er dir nicht.
     Ich verstehe bloß nicht‹, fuhr sie nachdenklich fort, »was Kardinal di Medici und der Großherzog von Toskana mit der Geschichte
     zu tun haben.«
    »Sie verteidigen die Interessen Virginios oder glauben oder geben vor, sie zu verteidigen. Die Medicis sind Bankiers. Sie
     sehen alles durch ein und dasselbe Prisma, und das ist das Geld.«
    Da Vittoria mich erstaunt ansah, fuhr ich fort:
    »Sie befürchten, ich könnte mein Testament zu deinen Gunsten ändern. Während ich in der Ferne Krieg führte, haben sie Virginio
     am Florentiner Hof aufgezogen und zu einem Medici gemacht. Und sie rechneten schon damit, daß bei meinem Tode mein gesamtes
     Vermögen auf dem Umweg über Virginio an sie fallen würde.«
    »Mein Gott!« rief sie. »Kann ein Kardinal so denken?«
    »Dieser Kardinal ist in erster Linie ein Medici und erst in zweiter Linie Kardinal. Aber er hat auch noch einen anderen Beweggrund:
     er verabscheut das schöne Geschlecht. Je hübscher eine Frau ist, um so mehr haßt er sie. Der armen Bianca hat er jeden nur
     erdenklichen Schimpf angetan.«
    »Aber er hat mich doch nie

Weitere Kostenlose Bücher