Idol
Ermordung ihres Gatten ergeben, auch nicht auf eine Verantwortlichkeit des Fürsten Orsini für
dieses feige Attentat. Man kann jedoch nicht umhin, gewisse Mutmaßungen anzustellen, kraft der lateinischen Lebensweisheit:
Fecit cui prodest.
1 Aber Mutmaßungen sind noch kein Beweis.«
»Allerheiligster Vater«, sagte ich unterwürfig (denn ich wußte, wie wenig Gregor XIII. Widerspruch schätzte, sofern er nicht
indirekt Wasser auf seine Mühlen leitete), »die nachfolgende Ehe des Fürsten mit dem Gegenstand seiner Begierde hat diese
Vermutung gleichwohl beträchtlich untermauert.«
»Gewiß«, erwiderte Seine Heiligkeit, »es spricht sehr viel für diese Vermutung, sehr viel …«
»Und das um so mehr, Allerheiligster Vater, als sich der Fürst vor seiner Ehe mit Waffengewalt gegen den obersten Herrn der
Christenheit erhoben hatte! Liegt es nicht auf der Hand, daß jemand, der sich von seiner Leidenschaft zu diesem scheußlichen
Verbrechen gegen den Papst hinreißen ließ, vorher genausogut die Ermordung des Dritten Kammerherrn Eurer Heiligkeit angezettelt
haben könnte? Wer zu dem einen fähig ist, ist es auch zu dem anderen!«
»Gut überlegt, geliebter Sohn«, sagte Gregor XIII., »der Verdacht ist in der Tat sehr stark … Er würde viele überzeugen, vielleicht
sogar Uns.«
»Eure Mäßigung ehrt Euch, Allerheiligster Vater, und wenn |319| Eure Heiligkeit gestatten, erlaube ich mir zu sagen, ich bewundere Eure des Evangeliums würdige Milde, mit der Ihr, nachdem
der Thron des heiligen Petrus wieder fest stand, die Euch durch den Aufstand angetane tödliche Beleidigung zu verzeihen gewillt
wart, habt Ihr doch nicht einmal deren Anführer, wie es in Eurer Macht gestanden hätte, durch Exkommunizierung bestraft.«
Bei diesen Worten überlief Francesco ein Frösteln, und er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, doch ich tat, als bemerkte
ich nichts. Er hatte für Paolo Giordano immer sehr viel Freundschaft empfunden.
»Indem Wir ihm vergaben«, erwiderte der Papst und blickte zu Boden, »haben Wir nur Unsere Christenpflicht getan. Außerdem«,
und hier sah er mich mit einem komplizenhaften Blick an, »war die Sache nicht so einfach. Hätten Wir den von Euch Genannten
exkommuniziert, hätten Wir gleichzeitig auch den Grafen Oppedo, den Marchese Savelli und den ganzen römischen Adel exkommunizieren
müssen. Denn sie waren ja alle in die Revolte verwickelt. Gewiß, der von Euch Erwähnte war ihr Anführer, aber er hatte es
nicht auf Unsere Abdankung und Unseren Tod abgesehen. Er hat mit Uns verhandelt. Und als er bekommen hatte, was er wollte,
hat er den Pöbel niedergeschlagen.«
»Und was wollte er, Allerheiligster Vater?« fragte ich unwillig. »Eine Frau! Die Frau, die Ihr hinter Schloß und Riegel gebracht
hattet, um seine Heirat mit ihr zu verhindern! Er hat sie also unter ausdrücklicher Verletzung Eures Willens geheiratet! Eine
Mesalliance, die vom gesamten römischen Adel mißbilligt wird!«
»Jedenfalls darf man das vermuten«, sagte Francesco plötzlich, »denn wir sind erst seit gestern abend in Rom und haben noch
mit niemandem gesprochen.«
Bei diesem Einwurf, für den ich meinem Bruder keinen Dank wußte, lächelte der Papst unmerklich, weil er ahnte, daß mir Francesco
in dieser Angelegenheit nur widerwillig folgte, zumal es sich um eine Mesalliance handelte, für die er selbst ein Beispiel
gegeben hatte. Ich beschloß sofort, nicht weiter auf diesem Punkt zu insistieren, aus Angst, die Kluft zwischen Francesco
und mir noch zu vergrößern.
»Allerheiligster Vater«, fuhr ich fort, »es gibt noch andere, |320| schwerwiegendere Gründe gegen diese unsinnige Heirat. Aus der Ehe meiner Schwester Isabella mit dem Fürsten Orsini ist, wie
Ihr wißt, ein Sohn hervorgegangen: Fürst Virginio. Bis heute verstand es sich von selbst, daß Virginio nach dem Tode seines
Vaters dessen gesamtes Vermögen erben würde. Nun aber, auf Grund der blinden Leidenschaft von Paolo Giordano für diese Intrigantin,
steht zu befürchten, daß er zu deren Gunsten ein neues Testament macht, was die Interessen unseres Neffen ernstlich gefährden
würde.«
Der Papst schwieg einen Augenblick, sein Blick ging von Francesco zu mir und von mir wieder zu Francesco. »Stimmt der Großherzog
den vom Kardinal dargelegten Überlegungen zu?« fragte er ernst.
»In diesem Punkt bin ich mit meinem Bruder voll einverstanden«, sagte Francesco und ließ auf die Art durchblicken,
Weitere Kostenlose Bücher