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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Florenz sehe, daß verständige und gebildete Männer Frauen wie Bianca und Vittoria zu Idolen erheben
     und ihnen wegen ihrer Schönheit Ehrungen zuteil werden lassen, die nur Gott allein gebühren. Es ist nicht zu sagen, wie verderblich
     und gefährlich dieser heidnische Kult in einem Staate wirkt.
    Um auf die Reise nach Rom zurückzukommen: ich obsiegte schließlich, Francesco reiste mit mir und ließ Bianca in Tränen aufgelöst,
     besorgt und voll Groll in Florenz zurück. Nur unwillig bequemte sie sich im Augenblick unserer Abreise, das Knie vor mir zu
     beugen und meinen Ring zu küssen. Ich hob sie gütig auf. Doch welch wütenden Blick schleuderte sie wie einen Blitz nach mir!
     Sie hätte mich getötet, wenn sie gekonnt hätte! Vermutlich ist es purer Hohn, wenn unsere guten Italiener die Frauen als das
     »liebenswürdige Geschlecht« bezeichnen.
    Es versteht sich von selbst, daß ich während dieser gemeinsamen Reise alle sich bietenden Möglichkeiten nutzte, meinem Bruder
     eine gehörige Predigt zum Thema Vittoria und Paolo zu halten. Aber ich konnte seine schwache Seele nur halb überzeugen und
     erreichte nichts weiter, als daß Francesco versprach, meine Worte an den Heiligen Vater zu billigen, sei es auch nur durch
     seine Anwesenheit und sein Schweigen.
    |317| Der Heilige Vater empfing uns, ohne daß wir warten mußten. Nachdem mein Bruder und ich seinen Pantoffel geküßt hatten und
     er uns den Segen erteilt hatte, wandte er uns sein Gesicht zu, darin sich der Ernst seines Zustands wie auch eine heimliche
     Zufriedenheit spiegelten.
    »Also, inniggeliebte Söhne, was wollt Ihr von Uns«, fragte er rundheraus. »Wir hören.«
    Ich beglückwünschte ihn zunächst zu seinem guten Aussehen, seiner blühenden Gesundheit, seiner ewigen Jugend – ein günstiges
     Zeichen des Himmels und des deutlichen Segens des Allerhöchsten. Er hörte meine Worte mit einer so wohlgefälligen Miene der
     Befriedigung an, daß man an ein Kätzchen denken mußte, welches gerade ein Schälchen Milch schleckt. Danach aber erinnerte
     er mich in aller Bescheidenheit daran, daß auch er – obwohl Papst – sterblich sei. Ein Wort, das ihm nur widerstrebend über
     die Lippen kam und von dem er nicht wirklich zu glauben schien, daß es auch für ihn gelten könnte.
    Diese Vorrede dauerte eine gute Viertelstunde, und ich kürzte sie auch nicht ab, wohl wissend, wie wichtig für Gregor XIII.
     die Beteuerungen waren, er werde lange, wenn nicht gar ewig leben. In dieser Hinsicht versetzte er wirklich alle Welt in Erstaunen.
     Mit mehr als achtzig Jahren hatte er ein glattes Gesicht wie ein Säugling, sanft gerundete rosige Wangen, und zwischen faltenlosen
     Lidern leuchteten vergißmeinnichtblaue Augen, die seinem Blick eine Unschuld verliehen, der zu trauen niemandem geraten sein
     sollte. Zudem war er ein Genießer und Egoist, der gern jeder Mühe auswich, den Luxus und seine Annehmlichkeiten schätzte,
     auf Kleinodien versessen war, die Künste liebte, allerdings wenig Neigung zur Verschönerung seiner Stadt zeigte; der autoritär
     war, aber wenig bedacht auf das Wohl des Staates und der Christenheit; der Nahestehenden liebenswürdig und heiter begegnete,
     aber tief im Inneren Rachegefühle hegen konnte. Seine Untertanen tyrannisierte er aufs äußerste, nicht auf Grund seines Temperaments,
     sondern aus der Situation heraus, aus Angst und Launenhaftigkeit.
    Am Ende meiner schmeichlerischen Rede hielt ich mit dem Ausdruck grenzenloser Ergebenheit inne, und erst als Seine Heiligkeit
     mich zum zweiten Mal fragte, was ich von ihm erwarte, kam ich zum Thema.
    »Allerheiligster Vater«, begann ich, »der Großherzog von |318| Toskana und ich haben mit tiefer Betrübnis die Vermählung unseres geliebten Schwagers und Cousins Paolo Giordano Orsini mit
     der Witwe Peretti zur Kenntnis genommen. Die rätselhaften Umstände, unter denen der arme Peretti dahingeschieden ist, machen
     unserer Meinung nach diese Verbindung zu einem Skandal im Staat, in der Kirche und in der ganzen Christenheit.«
    »Das ist leider wahr, geliebte Söhne«, seufzte Seine Heiligkeit, »doch was sollen Wir tun? Die Untersuchung durch den unglücklichen
     Della Pace« (hier rollten zwei Tränen – wirklich nur zwei – über die rosigen Wangen des Papstes, und ich bewunderte ein weiteres
     Mal, wie er in jeder Situation sofort die richtige Gemütsbewegung parat hatte) »hat keinen Hinweis auf einen Ehebruch Vittorias
     oder ihre Beteiligung an der

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