Idol
weißen
Zähnen.
»Pater«, hebt sie wieder an, wie erstaunt über mein Schweigen, »ich stehe zu Eurer Verfügung.«
Bei diesen Worten hat ihre Stimme ein wenig gezittert, was mich auf den Gedanken bringt, daß sie, trotz ihrer Selbstbeherrschung,
diese Unterredung genauso fürchtet wie ich. Da passiert etwas Seltsames: durch ihre Angst vergeht die meine fast völlig.
»Es gibt ein kleines Problem, Signora«, sage ich, denn ich habe meine Stimme wiedergefunden. »Ich möchte unter vier |354| Augen mit Euch sprechen, zugleich aber, als Beleg meiner Fragen und Eurer Antworten, etwas Schriftliches in die Hand bekommen.«
»Wenn das alles ist, Pater, so weiß ich Rat«, erwidert sie lebhaft und mit fröhlichem Lächeln. »Ich werde mich dort an dieses
Schreibpult setzen und in einer Person Euer Zeuge und Euer Gerichtsschreiber sein. So bekommt Ihr meine schriftliche Zeugenaussage
und zudem eine Probe meiner Handschrift.«
Sie hat ihre Antwort mit sehr viel Takt und Güte vorgebracht. Ich bedeute ihr, daß ich einverstanden bin, und sie läßt sich
auf einem Schemel vor dem Schreibpult nieder. Das dauert eine gewisse Zeit, denn bevor sie Platz nimmt, rafft sie ihr langes
Haar zusammen und legt es sich beim Hinsetzen in den Schoß, vermutlich um ihren Nacken zu entlasten und nicht von dieser goldenen
Pracht nach hinten gezogen zu werden. Ich beobachte sie und frage mich, welche Bedeutung die weibliche Schönheit für einen
Theologen haben kann. Manche sehen darin ein Werk des Teufels, was eine unhaltbare These ist. Der Böse hat nur bei einem Mißbrauch
der Dinge seine Hand im Spiel. Und die Schönheit an sich ist zweifellos eine Gottesgabe. Doch wozu dient sie, wenn es die
Bestimmung des Weibes ist zu gebären? Alle Frauen, ob schön oder häßlich, gebären, und es will mir die Notwendigkeit, so viele
Vorzüge in einem Geschöpf zu vereinen, nicht einleuchten. Wenn die Aufgabe der Theologie darin besteht, den Glauben zu begreifen,
dann müssen wir zugeben, daß außerhalb des Lichtkreises der göttlichen Offenbarung alles im dunkeln bleibt, selbst ein so
unbedeutendes Detail wie der Zweck weiblicher Schönheit. Dennoch bin ich überzeugt, daß gegen den Willen der Vorsehung kein
Blatt vom Baume fällt.
»Meine erste Frage, Signora, lautet: Habt Ihr aus freiem Willen, aus Euerm eigenen Entschluß heraus und ohne jeden Druck von
außen, ohne daß Ihr bedroht oder erpreßt worden seid, den Fürsten Orsini geehelicht?«
»Aus freiem Willen natürlich.«
»Schreibt das bitte auf, Signora.«
»Im Wortlaut der Frage?«
»Ja.«
Die Signora schreibt, und ich schweige, bis sie die Feder vom Papier nimmt.
»Signora, warum habt Ihr den Fürsten Orsini geheiratet?«
|355| »Weil ich ihn liebte und seine Frau werden wollte.«
»Wie oft hattet Ihr vor Eurer Einkerkerung in der Engelsburg den Fürsten getroffen?«
»Einmal, bei meinem Onkel, Seiner Eminenz Kardinal Montalto.«
»Hattet Ihr nach dieser Begegnung irgendwelche Kontakte – mündliche oder schriftliche – zu ihm?«
»Der Fürst hat mir geschrieben, doch ich habe ihm nicht geantwortet. Pater, muß ich das alles aufschreiben?«
»Nur die Antworten, die Fragen laßt weg.«
Das tut sie.
»Signora, was glaubt Ihr, weshalb Euch Gregor XIII. in der Engelsburg gefangengesetzt hat?«
»Weil er dachte, Fürst Orsini habe meinen Mann ermorden lassen und ich sei seine Komplizin gewesen.«
»Und war es so?«
»Nein, es war nicht so«, ruft sie energisch. »Auch der Bericht des Bargello hat das in aller Form widerlegt. Und Della Pace
hat es mir selbst wiederholt, als er kam, mich zu verhaften.«
»Schreibt bitte, Signora.«
Sie schreibt, und die Feder kratzt wütend über das Papier. Ganz offensichtlich war sie auf solche Fragen nicht gefaßt und
ist unwillig darüber.
Als sie fertig ist, sage ich zu ihr:
»Muß ich Euch versichern, Signora, daß ich Euch aufs Wort glaube? Säße ich hier, wenn ich Euch für schuldig hielte?«
»Danke, Pater«, sagt sie bewegt.
»Fahren wir fort. Als Ihr dem Fürsten Orsini bei Euerm Onkel, Seiner Eminenz Kardinal Montalto, begegnet seid, habt Ihr da
mit ihm gesprochen?«
»Nein.«
»Wie lange habt Ihr ihn gesehen?«
»Etwa fünf Minuten.«
»Und das genügte, Eure Liebe zu wecken?«
»Ja.«
Und gleich darauf fragt sie leicht aggressiv:
»Kommt Euch das unwahrscheinlich vor?«
»Ich weiß nicht«, entgegne ich trocken. »Ich habe keine Erfahrung mit den menschlichen
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