Idol
Fürsten, der er war, gegen die Ehre, Montalto seine Stimme vorzuenthalten, nachdem dieser für ihn votiert hatte.
Santa Severina hatte die größte Mühe, den Kardinal-Erzherzog, der über der Verlesung der Bullen eingenickt war, zu wecken
und ihm verständlich zu machen, daß wir im Königssaal auf ihn warteten. Endlich erschien er, die Hand auf Santa Severinas
Schulter gestützt. Als er unser ansichtig wurde, ließ er seine farblosen Augen erstaunt über unsere Versammlung wandern, und
sowie er mich erblickte (gottlob ohne sich an den Namen zu erinnern, den ich ihm genannt hatte), fragte er:
»Worum geht es, Kardinal?«
Alessandrino kam meiner Antwort zuvor:
»Euer Eminenz, wir wollen Kardinal Montalto zum Papst wählen.«
»Montalto!« rief der Erzherzog, nun völlig wach, und hob beide Hände. »Ja, Montalto!« wiederholte er mit Stentorstimme.
Dieses »Ja, Montalto!« aus dem Munde eines Österreichers war entscheidend. Das letzte Zaudern war damit geschwunden, und beflügelt
begab sich unsere Schar wie bei einer Prozession in die Kapelle, an der Spitze der Erzherzog, Farnese, San Sisto und Alessandrino;
ich selbst hielt mich in der dritten Reihe, denn ich wollte bei dieser Wahl nicht zu sehr in Erscheinung treten, bevor nicht
ihr erfolgreicher Ausgang feststand.
Als wir in die Kapelle einzogen, unterbrach der Zeremonienmeister verblüfft seine Lesung, und die Kardinäle, die noch auf
ihren Plätzen saßen und von unserer Intrige nichts ahnten, sahen uns an, stumm, wie versteinert; die einen erblaßten, die
anderen wurden rot. Alessandrino, San Sisto, Farnese und der Erzherzog schritten nun auf Montalto zu, und San Sisto sagte
mit lauter Stimme:
»Eminenz, wir haben Euch zum Papst gemacht, und ich möchte Euch bitten, den Namen Sixtus anzunehmen.«
»Das werde ich gewißlich tun«, erwiderte Montalto.
Mehr konnte er nicht sagen. Seine Parteigänger schnitten ihm mit dem Ruf
»Papa! Papa!«
das Wort ab. Sie hatten ihn umringt, um ihn der Reihe nach auf den Mund zu küssen, wie es die Sitte verlangt.
|388| Alessandrino wandte sich an die noch sitzenden Kardinäle, musterte sie mit seinen schwarzen Augen und sagte gebieterisch,
beinahe drohend:
»Wollt Ihr abstimmen und Eure Stimmen zählen? Oder wollt Ihr ihn mit uns
per acclamationem
wählen?«
Die Kardinäle erhoben sich, manche in großer Hast, andere langsamer, aber alle wandten sich schließlich Montalto zu, riefen
»Papa! Papa!«
und gesellten sich zu den anderen, die ihm bereits huldigten.
Daraufhin wandte ich mich an den Zeremonienmeister, der sprachlos auf seinem Podium stand, noch immer mit den Bullen in der
Hand, und flüsterte ihm zu, was er sagen mußte, denn er war so verstört, daß er daran gar nicht gedacht hatte.
Sein Verstand kam langsam in Gang, und er schmetterte sein
»Papa! Papa!«
so laut und energisch, daß es in der Kapelle widerhallte.
»Eminenzen, ich stelle fest, Ihr habt einstimmig
per acclamationem
den erlauchten, hochverehrten Kardinal di Montalto zum Papst gewählt. Sowie Seine Heiligkeit einen Papstnamen gewählt hat,
wird Seine Eminenz Staatssekretär Kardinal di Medici ihn dem Volke verkünden.«
In dem darauffolgenden allgemeinen Schweigen sagte der Papst fest und deutlich:
»Ich nenne mich Sisto Quinto 1 .«
Seine Exzellenz Armando Veniero,
Botschafter Venedigs in Rom:
Als das Konklave zu Ende war und die Kardinäle, von ihrer Klausur befreit, mit einem Seufzer der Erleichterung in ihre Marmorpaläste
zurückkehrten, packte mich noch nachträglich Entsetzen bei der Vorstellung, daß wir beinahe einen spanischen Papst bekommen
hätten. Der Gedanke allein ließ mich erzittern. Wie sollte sich ein spanischer Papst widersetzen, wenn Philipp II. sich anschickte,
unsere Halbinsel, von der ihm schon mehr als die Hälfte gehörte, vollends in Besitz zu nehmen? Venedig würde das gleiche Schicksal
erleiden wie Mailand, |389| das Königreich Neapel und Sizilien. Und mein geliebtes Vaterland hätte seine verlorene Freiheit, seine Handelsflotte, seinen
blühenden Handel mit der ganzen Welt zu beweinen und würde unter dem Joch Spaniens und der österreichischen Generäle stöhnen
wie die Niederlande.
Das Ende eines Konklaves ist der Beginn der Indiskretionen. Sowie die Kardinäle in ihre gewohnte Bequemlichkeit zurückgekehrt
sind, nehmen sie es offenbar mit der Geheimhaltung nicht mehr so genau. Ich erfuhr von mancherlei Dingen; einige waren von
großem
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