Idol
werde ich beim Heiligen Vater um eine Audienz für uns nachsuchen.«
Ich trug meine Bitte am 2. Mai – dem Morgen nach meinem Gespräch mit dem Fürsten – vor, und noch am selben Tag, um fünf Uhr
nachmittags, überbrachte mir ein Bote des Vatikans die Antwort: der Heilige Vater werde mich und den Fürsten Paolo Giordano
Orsini am 3. Mai um zehn Uhr vormittags empfangen.
Eilig schickte ich einen Diener zu Paolo, um ihn zu informieren und ihm ausrichten zu lassen, ich würde ihn am 3. Mai um neun
Uhr morgens mit meiner Kutsche in Montegiordano abholen. In seiner eigenen Kutsche konnte nämlich der Fürst seit seiner Rückkehr
aus Bracciano nicht mehr durch Rom fahren, ohne mit Steinen beworfen zu werden, so groß war der Volkszorn. Gewiß, unter dem
neuen Papst herrschte wieder Ordnung auf den Straßen Roms, und Steinwürfe waren nicht mehr zu gewärtigen. Aber wer könnte
wohl die Römer – und erst recht die Römerinnen – je daran hindern, dem vorbeifahrenden Fürsten Schimpfwörter oder gar faule
Früchte an den Kopf zu werfen?
Wir fuhren also in meiner Kutsche zum Vatikan, die Fenster geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Paolo war bleich. Die geringste
Bewegung strengte ihn sehr an, und beim Treppensteigen mußte er sich auf mich und seinen Sekretär stützen.
Es war noch keine Woche seit der Krönung des Papstes vergangen, doch sein Regierungsstil war schon deutlich zu spüren. Im
Gegensatz zu seinem lässigen Vorgänger schob Sixtus V. keine Entscheidung jemals auf die lange Bank. Und war sie einmal getroffen,
nahm er sie nie mehr zurück. Audienzersuchen wurden innerhalb von achtundvierzig Stunden beschieden. Fiel die Antwort negativ
aus, war es zwecklos, den Antrag zu wiederholen. War sie jedoch positiv, begann die Audienz pünktlich zur festgesetzten Stunde,
und man wurde vom Kammerherrn |394| darauf hingewiesen, daß die zugemessene Zeit nicht überschritten werden dürfe.
Sixtus V. änderte zwar nicht das umständliche Begrüßungszeremoniell, kürzte es jedoch ab. Und wie ich bei diesem ersten Empfang
feststellen konnte, hatte er seine ganz eigene Art, den sinnentleerten, langatmigen Beteuerungen und geschraubten Komplimenten
Einhalt zu gebieten.
Er empfing uns am 3. Mai Schlag zehn Uhr. In sich zusammengesunken, saß er in eindrucksvoller Bewegungslosigkeit auf seinem
Thron; im Kontrast dazu wirkte sein scharfer Blick, den er vom Fürsten Paolo zu mir wandern ließ, um so lebhafter.
»Herzog«, sagte er laut und sehr deutlich, »mit Rücksicht auf den Zustand Eures Beines erlasse ich Euch das Niederknien und
das Küssen meines Pantoffels. Setzt Euch auf diesen Schemel und tragt mir Euer Anliegen vor.«
Den Dispens hätte man für eine Aufmerksamkeit halten können, wäre er in einem anderen Ton erteilt worden, von einem anderen
Blick begleitet gewesen. Im Klartext hieß dieser Dispens nichts anderes als: hinknien in Euerm Zustand, das würde zuviel von
meiner kostbaren Zeit in Anspruch nehmen, kommen wir also zur Sache.
Dieser Beginn verwirrte den Fürsten, und er zögerte kurz, ehe er, so unverblümt dazu aufgefordert, »sein Anliegen vortrug«.
Er hatte wahrscheinlich eine kleine höfliche Ansprache auswendig gelernt, und als er nun spürte, daß sie nicht mehr angebracht
war, wußte er nicht, wie er beginnen sollte.
Er drückte dem Papst eingangs seine aufrichtigsten und respektvollsten Wünsche für das »sehr hohe und sehr erhabene Amt aus,
das Euch zuteil geworden«, und fuhr dann fort:
»Allerheiligster Vater, ich bin gekommen, Euch als dem Herrn der Christenheit und meinem Herrscher Treue und Gehorsam zu geloben
und als Euer ergebener Diener und Vasall Euch all meine Güter und meine ganze Kraft zur Verfügung zu stellen …«
»So viel verlange ich gar nicht von Euch, Herzog«, sagte Sixtus V.
Diese Unterbrechung bereitete dem Fürsten großes Unbehagen; er schwieg bestürzt, und auf seiner Stirn perlte der Schweiß.
»Fahrt fort!« befahl der Papst.
»Die Beziehungen des Hauses Orsini zum Herrscher über |395| Rom sind so alt und so gut bekannt, daß sie keiner Erwähnung bedürfen«, sagte der Fürst, als ob er eine Lektion herbete. »Ich
möchte jedoch mit Dankbarkeit daran erinnern, daß meine Besitzung Bracciano durch Euern erlauchten Vorgänger zum Herzogtum
erhoben worden ist.«
»Eure Dankbarkeit habt Ihr damit bewiesen, daß Ihr eine Revolte gegen ihn angezettelt habt«, sagte der Papst mit beißender
Ironie.
Der
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