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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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politischem Interesse – darüber werde ich schweigen –, andere warfen ein bezeichnendes Licht auf Sitten und Personen.
     Am meisten amüsierte mich die Bemerkung des hochmütigen Kardinals Alessandrino, als er sich entschloß, Montaltos Kandidatur
     zu unterstützen: »Warum sollten wir gegen diesen armen Alten stimmen? Er wird in uns seine Meister finden.«
    Ich teilte dies – neben anderen, gewichtigeren Dingen – dem Dogen und den Senatoren Venedigs mit, wußte ich doch, wie gern
     man sich dort auf Kosten der Römer belustigte. Man ergötzte sich so sehr über Alessandrinos Ausspruch, daß ich während des
     ganzen fünfjährigen Pontifikats von Papst Sixtus V. jedesmal lachend gefragt wurde: »Na, Armando, wie geht es dem armen Alten?«,
     sobald ich nach Venedig kam, um die Luft der Lagune zu atmen und dem Dogen Bericht zu erstatten.
    Der »arme Alte« war nämlich von der ersten Minute seiner Regentschaft an der wahre Meister, und zwar ein gestrenger Meister,
     vor dem alle zitterten: der Gauner in der Spelunke, die Dirne in der Taverne, der Bandit im Gebirge, der erpresserische Richter,
     der mit geistlichen Ämtern schachernde Priester, der Ablaßhändler, der unredliche Bankier, der Bischof, der sich nie in seiner
     Diözese blicken ließ, der Adlige, der den Verbannten Asyl gewährte.
    Noch vor seiner Krönung drohte der neue Papst allen die Todesstrafe an, die bei Tage oder nachts in den Straßen Roms mit Feuerwaffen
     angetroffen wurden. Und als zwei junge Adlige – Brüder – mit umgehängten Radschloßarkebusen herausfordernd durch die Straßen
     stolzierten, ließ er sie in den Kerker werfen und befahl, auf der Engelsbrücke zwei Galgen zu errichten, an denen die beiden
     trotz der flehentlichen Bitten der Kardinäle und der einflußreichsten römischen Familien gehängt wurden.
    |390| Seine Unnachgiebigkeit blieb nicht ohne Wirkung, und ich konnte ihre Folgen vom Fenster meines Zimmers aus sehen. Es lag
     nämlich zum Tiber hinaus, und zu Zeiten Gregors XIII. rief mein venezianischer Kammerdiener jeden Morgen beim Aufziehen der
     Vorhänge: »Wieder eine Leiche im Wasser, Exzellenz! Noch eine! Und noch eine! Diese Stadt ist eine Mördergrube!« Ich weiß
     nicht, wohin die Mörder nach dem Regierungsantritt Sixtus’ V. verschwunden sind, aber die Zahl der im Tiber Ertränkten ist
     tatsächlich bedeutend zurückgegangen, wenngleich es immer noch einige gibt.
    Kurz nach der Thronbesteigung des neuen Papstes erzählte mir Kardinal di Medici von einer Begebenheit, die ihm für den neuen
     Herrn bezeichnend zu sein schien. Als er eines Tages in seiner offenen Kutsche durch Rom fuhr, sah er, wie sich zwei anständig
     gekleidete Männer mit seltener Wildheit auf offener Straße prügelten. Er ließ halten, erkundigte sich nach dem Grund des Streites
     und erfuhr, daß es sich um zwei Diener Kardinal San Sistos handelte. Sie waren aneinandergeraten, weil sie sich in dieselbe
     Frau verliebt hatten. Medici, der die Frauen so erbittert haßt, daß er ihren bloßen Anblick kaum erträgt, zumal wenn sie schön
     sind, erschien der Anlaß für diesen erbarmungslosen Zweikampf geradezu lächerlich. Er nutzte eine Verschnaufpause der beiden
     Kontrahenten, die sich mit haßerfüllten Blicken maßen, um jedem von ihnen zehn Piaster anbieten zu lassen, wenn sie sich versöhnen
     oder zumindest von der Schlägerei ablassen würden. Der Vorschlag wurde von beiden sofort abgelehnt, und der Kampf begann aufs
     neue.
    Schließlich warf einer den Gegner zu Boden, preßte dem Unglücklichen das Knie auf die Brust, packte ihn an der Gurgel und
     bedrohte ihn mit dem vorgehaltenen Stilett. Die Umstehenden schrien entsetzt auf, alles hielt den Atem an. Da ließ der Mann
     plötzlich von seinem Opfer ab, steckte das Messer in die Scheide zurück und sagte:
    »Bedanke dich bei Papst Sixtus! Ich habe zu große Angst vor ihm, sonst hätte ich dir jetzt die Kehle aufgeschlitzt.«
    »Wäre dir das eher eingefallen«, sagte Medici, bei dem unter dem großen Herrn immer wieder der Bankier zum Vorschein kam,
     »so hättest du jetzt zehn Piaster gewonnen …«
    Er verweilte noch, um die Kommentare der Zuschauer zu hören, die ihm sehr bezeichnend erschienen. Alle gaben dem |391| Manne recht, der das Leben seines Feindes verschont hatte. Ein Papst, der zwei junge Adlige hängen läßt, weil sie mit einer
     Arkebuse angetroffen werden, wird nicht nur gefürchtet, sondern auch respektiert. Aus tiefstem Herzen bewunderte das

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