Idol
skrupellos geplant
worden war mit der Absicht, meiner ...«
Auch an dieser Stelle bewahrte der Papst seine Fassung und fuhr mit Anstrengung fort:
»… Vittoria Peretti zu schaden. Soweit zur hellen Seite. Und nun zu der dunklen Seite. Es steht leider außer Zweifel, daß
der von mir erwähnte Bandit die Ermordung Perettis niemals geplant hätte, wenn er nicht von Eurer verhängnisvollen Leidenschaft
für dessen Frau gewußt hätte. Denn Ihr habt – um den Dekalog zu zitieren – Eures Nächsten Weib begehrt, Herzog, Ihr habt sie
mit Briefen umworben, habt sie mit Eurer nicht nachlassenden Aufdringlichkeit verfolgt und habt sie schließlich in ihrer Schwachheit
zu schuldhaften Begegnungen verleitet: erst in Santa Maria, dann in der Villa Sorghini in Rom …«
Sixtus V. sah den Fürsten durchdringend an und machte eine Pause, als wolle er ihm Zeit zum Antworten lassen. Doch das Schweigen
dauerte eine gute halbe Minute – und das ist lange, wenn es auf konkrete Anschuldigungen folgt –, ohne daß der Fürst das Wort
ergriff. Er schien verwirrt. Wie er mir später sagte, erkannte er in diesem Moment, daß der entlaufene Mönch im Dienste Lodovicos
nicht nur Peretti in die Falle gelockt, sondern zuvor schon seine eigenen Rendezvous mit Vittoria ausspioniert hatte. Die
Zeugenaussage des Mönchs war mithin eine zweischneidige Sache: sie hatte den Fürsten zwar von dem Mordverdacht entlastet,
ihn zugleich aber des Ehebruchs überführt.
»Wir haben nicht mehr viel Zeit«, fuhr der Papst nach einem zweiten Blick auf die Uhr fort. »Deswegen möchte ich abschließend
feststellen: Ihr seid nicht schuldig an der Ermordung Francesco Perettis, aber Ihr seid mit Sicherheit indirekt dafür verantwortlich,
Herzog.«
Sixtus V. machte abermals eine kleine Pause, damit der Fürst ihm antworten könne. Doch dieser war wie gelähmt und keines Wortes
mächtig. Nach den Theologen, nach Medici und nach |398| Gregor XIII. war nun er an der Reihe, abgekanzelt zu werden, so daß er das Schlimmste befürchten mußte – nicht nur die Annullierung
seiner zweiten Ehe.
»Wir sprechen nicht als Euer Feind zu Euch, Herzog«, fuhr der Papst mit lauter Stimme fort, jedes Wort betonend. »Wir wollen
weder Euren Besitz noch Eure Titel, wir trachten nicht nach Eurer Freiheit und schon gar nicht nach Eurem Leben. Wir meinen,
daß das Sakrament der Ehe in dem Willen der beiden Gatten, einander anzugehören, begründet liegt – ein Wille, der in vorliegendem
Fall auf beiden Seiten nicht angezweifelt werden kann – und werden kein
precetto
zur Annullierung Eurer zweiten Ehe erlassen. Aber wir erwarten, daß Ihr uns ein ›ge treuer und gehorsamer Diener‹ seid, um Euch zu zitieren. Wir nehmen Euch beim Wort! Wir hatten Euch befohlen, diejenigen Personen
aus Montegiordano zu verweisen, denen Ihr kraft eines Rechts, das wir niemandem zubilligen, Asyl gewährt habt. Wir wiederholen
diesen Befehl hiermit und erwarten, daß Ihr ihm innerhalb von vierundzwanzig Stunden Folge leistet.«
»Allerheiligster Vater, ich habe Euch zu diesem Problem geschrieben: es scheint mir mit meiner Ehre unvereinbar, diese Männer
dem Bargello auszuliefern«, sagte der Fürst fest.
»Herzog«, rief Sixtus V. noch lauter und sah ihn mit einem schrecklichen Blick an, »vor allem wäre es mit Eurer Ehre unvereinbar,
Euerm Herrscher den Gehorsam zu verweigern! Seid um die Leute, die bei Euch Asyl gefunden haben, unbesorgt; wir wissen zwischen
den Verbannten und den Banditen genau zu unterscheiden. Erstere sind im allgemeinen ehrenhafte Personen, die das Unglück hatten,
aus verschiedenen Gründen das Mißfallen meines Vorgängers zu erregen. Die meisten wird man nach gründlicher Prüfung ihres
Falles amnestieren. Die Banditen aber werden, falls ihre Verbrechen sich bestätigen, mit einer Schlinge um den Hals zum letzten
Mal ihren Blick gen Himmel richten.«
»Euer Wille geschehe, Allerheiligster Vater«, sagte der Fürst und senkte den Kopf zum Zeichen der Unterwerfung.
»Wann?«
»Schon morgen, noch vor Mittag.«
»Sehr gut. Ein letztes Wort: Wir haben gehört, daß eine Wunde am Bein Euch heftige Schmerzen verursacht. Wir raten Euch zu
einer Badekur in Albano bei Padua; die Stadt gehört zu |399| Venedig, und auf Grund Eurer ruhmvollen Vergangenheit im Dienste der Serenissima werdet Ihr dort nur Freunde antreffen.«
Der Fürst fuhr hoch: »Wie darf ich Eure Worte verstehen, Allerheiligster Vater? Heißt das:
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