Idol
armer Marcello mit bleichem Gesicht und geschlossenen
Lidern von den Wellen angespült wird …
»Signora, wenn Ihr gestattet …«
»Ach, Caterina«, unterbricht sie mich, »du gehst mir auf die Nerven! Dauernd mußt du reden! Merkst du nicht, daß mich das
beim Lesen stört?«
Beim Lesen oder beim Träumen? Ich sehe sie nicht oft eine Seite umblättern. Ich bin ja nicht blöd und habe Augen im Kopf.
»Verzeihung, Signora, wenn Ihr erlaubt, würde ich gern Euren Schmuck putzen.«
»Das habe ich vor kurzem schon selber gemacht.«
»Gold kann nie genug glänzen, Signora.«
»Na gut, dann putze, wenn dich das für ein Weilchen beschäftigt«, antwortet sie achselzuckend. »Aber sei vor allem leise!
und lauf nicht ständig umher!«
»Ja, Signora.«
Auf das eine breite Fensterbrett stelle ich eine mit Seifenwasser gefüllte kleine Schale. In eine andere Schale lege ich einen
Schwamm. Und auf einem roten Handtuch breite ich die Schmuckstücke aus, die ich einzeln aus der Schatulle nehme. Wenn ich
nicht so unruhig wäre, könnte das ein hübscher Zeitvertreib sein. Das Fensterbrett befindet sich für mich genau in der richtigen
Höhe, so daß ich nicht die Arme zu heben brauche; und ich kann aufs Meer hinaussehen, was mir bei ruhigem Wetter Spaß machen
würde. Doch es schwillt immer mehr an, wie mir scheint.
Wenn ich mit einem Ring fertig bin, blicke ich schnell zur Signora – die keineswegs öfter umblättert als bisher – und stecke
ihn mir dann heimlich auf den kleinen Finger; es ist der einzige Finger, wo er mir paßt, denn die Signora hat viel zartere
Hände als ich. Trotzdem steht mir der Ring genausogut wie ihr! Und ihre Kolliers ebenfalls! Aber die probiere ich nur an,
wenn ich mich allein in ihrem Zimmer befinde, weil ich den Ankleidespiegel brauche, um mich zu betrachten. Sie kommen auf
meinem hübschen Dekolleté so gut zur Geltung, daß jedem Mann bei diesem Anblick das Wasser im Mund zusammenlaufen |155| würde. Vor allem Perlen wirken auf meiner matten Haut sehr vorteilhaft: beider Schönheit, die der Perlen und die der Haut,
kommt dadurch besser zur Geltung. Und das um so mehr, als ich einen makellosen Hals habe, rund und weich und ohne eine Falte.
Ich kann mir keinen richtigen Mann vorstellen, der beim Anblick meines Halses mit einem hübschen Schmuck nicht sofort Lust
verspüren würde, ihn mit Küssen zu bedecken.
Ich schäme mich fast, daß ich meine Bangigkeit vergessen und nur an meine kleine Person gedacht habe, während vor meinen Augen
der Himmel immer dunkler, die See immer wilder wird. Ich höre, wie sich die Wellen am Fuße der Klippe brechen. Sie verursachen
einen Lärm wie Trommelwirbel und ein überlautes saugendes Geräusch. Mir ist, als schwanke die Felswand unter meinen Füßen,
aber das ist nur Einbildung. Die Signora hat gut spotten, daß ich mich als Fischerstochter vor dem Meer fürchte. In Wirklichkeit
habe ich noch nie einen Fuß auf ein Schiff gesetzt oder in Salzwasser gebadet. Bei uns in Grottammare heißt es, das sei ungesund.
Als uns der Majordomus in Begleitung von drei oder vier Dienern das Mittagsmahl bringt, muß die Signora notgedrungen den Mund
aufmachen, sowohl um zu essen wie um dem Majordomus für die Mühe zu danken, die er ihretwegen auf sich nimmt. Und zu mir sagt
sie zerstreut nach einem Blick aus dem Fenster:
»Hoffentlich klart es auf.«
»Oh, ja, das hoffe ich von ganzem Herzen«, erwidere ich lebhaft.
Mein Ton überrascht sie, und sie sieht mich an. Doch ich fürchte, schon zuviel gesagt zu haben, und blicke auf meinen Teller.
Der Nachmittag verläuft so unangenehm, wie man es sich nur vorstellen kann. Das Wetter klart nicht auf; es wird noch schlechter.
Der Regen steigert sich zum Wolkenbruch. Der Wind bläst heftig, so daß das Wasser gegen unsere Scheiben klatscht; und obwohl
die Fenster gut schließen, dringen Wind und Regen bis ins Zimmer. Das Fensterbrett, wo ich vor dem Essen den Schmuck gereinigt
habe, ist inzwischen völlig überschwemmt. Ich wische es mit einem Schwamm trocken, und dann versuche ich, die Fenster mit
Lappen, die ich möglichst |156| fest zwischen Mauer und Rahmen klemme, besser abzudichten. Das gelingt mir zwar nicht völlig, aber ein wenig nützt es doch.
Jetzt braut sich auch noch ein Gewitter zusammen. Das Tosen der sich überschlagenden Wellen, das Donnergrollen – der Lärm
ist ohrenbetäubend. Ich sitze untätig auf einem niedrigen Stuhl am Feuer und zittere bei
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