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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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nicht. Denn ich bin mir ganz sicher, daß sie nichts gehört haben kann. Andererseits finde
     ich es unklug, ihr nicht die Wahrheit zu sagen. Ich habe sie noch nie anschwindeln können.
    Ich sage scheinheilig:
    »Signora, Ihr wißt ja, wie Euer Herr Bruder ist: wenn er etwas will, nutzt kein Widerstand.«
    »Und du hast natürlich heftigen Widerstand geleistet!« spottet sie.
    »Nein, Signora, das hätte zu viel Lärm gemacht. Und ich wollte Euren Schlaf nicht stören.«
    Das sage ich ganz unschuldig.
    »Schweig, du Hexe!« ruft sie.
    Doch nach ihrem Ton zu urteilen, ist sie nicht wirklich verärgert. Und ich freue mich, schlagfertig reagiert und ihr gezeigt
     zu haben, daß ich nicht so dumm bin, wie sie immer sagt. Im Bett gibt es nicht mehr die große Dame und die Zofe, sondern nur
     zwei Frauen, auch wenn ich die Form wahre und in höflichen Floskeln mit ihr rede.
    »Caterina«, fängt sie wieder an, »hast du die Absicht, Pater Barichelli deine Sünde mit Marcello zu beichten?«
    »Selbstverständlich, Signora. Ich bin eine gute Katholikin.«
    »Aber der Pater wird sicher wissen wollen, mit wem du gesündigt hast. Und was wirst du ihm dann sagen?«
    »Die Wahrheit, Signora.«
    »Wirklich, Caterina?« fragt sie ganz erschrocken. »Begreifst du nicht, daß mich die Wahrheit bloßstellen würde?«
    »Wieso?«
    »Caterina, wer soll denn glauben, daß der Fürst diese ganze Expedition organisiert und bei solch einem Unwetter ein Boot auf
     dem Meer ausgesetzt hat, nur damit Marcello dich heimlich treffen kann?«
    Ich schweige. Die Signora täuscht sich also nicht über die Verbindungen zwischen Pater Barichelli und dem Kardinal und über
     seine Verschwiegenheit. Ich habe bei unserer Unterhaltung das Gefühl, vorsichtig auftreten zu müssen wie in sumpfigem Gelände,
     wenn ich nicht darin versinken will.
    »Daran hatte ich nicht gedacht, Signora.«
    »Und was wirst du nun, da ich es dir zu bedenken gebe, tun?«
    |198| »Ich weiß nicht, Signora.«
    »Versteh doch, Caterina«, sagt sie verstimmt, »du darfst Barichelli nicht sagen, daß es Marcello war, mit dem du gesündigt
     hast.«
    »Mit wem denn sonst?«
    »Na, zum Beispiel mit einem Soldaten. Es laufen ja vierzig im Park herum.«
    »Und wenn er nach dem Namen fragt?«
    »Der Soldat hat ihn dir nicht genannt.«
    Ich überlege und beschließe, mich ein bißchen zu zieren.
    »Oh, Signora! Wie steh ich denn da, wenn ich nicht einmal den Namen des Mannes kenne, dem ich meine Gunst schenke?«
    »Hab dich nicht so, Caterina! Oder kannst du mir schwören, daß dir so was noch nie passiert ist?«
    »Nein, Signora«, widerspreche ich heftig, »das ist mir wirklich noch nie passiert.«
    Das ist freilich gelogen. Doch zum einen ärgert es mich, daß sie behauptet, ich würde mich »haben«, und zum andern kann sie
     es niemals nachprüfen, selbst wenn sie mir nicht glaubt.
    Da ich indes spüre, wie groß ihre Angst ist, will ich nicht, daß sie sich noch weiter wegen dieser Sache quält, ist sie doch
     schon enttäuscht genug über die Wendung, die die Dinge genommen haben. Ich bleibe indes noch ein Weilchen hartnäckig:
    »Verzeihung, Signora, aber es geht mir gegen den Strich, meinen Beichtvater zu belügen.«
    »Das ist doch nichts Ernstes. Du belügst ihn nicht über die Tat, sondern nur über die Person.«
    Sie hat recht. Und im übrigen habe ich meinen Beichtvätern nie die ganze Wahrheit gesagt, vor allem nicht, wenn sie mich endlos
     nach Einzelheiten auszufragen versuchten, wie der alte Pfarrer Racasi. Pater Barichelli ist zurückhaltender, vielleicht weil
     er jünger ist. Man könnte annehmen, er habe Angst vor mir. Denn er errötet, wenn ich ihm meine Dummheiten gestehe.
    »Ich werde alles so machen, wie Ihr sagt, Signora«, seufze ich.
    »Danke, Caterina, du bist ein gutes Mädchen. Geh jetzt in dein Bett, ich will schlafen.«
    Ich bin enttäuscht. Sie redet mit mir nicht über den Fürsten. Wie war ich doch naiv, zu glauben, sie würde mir ein wenig |199| über ihn erzählen! Sie verlangt, daß ich ihr mein Herz ausschütte, weiht mich aber nicht in ihre Geheimnisse ein. Außerdem
     hat sie jetzt warme Hände, und sogar ihre Füße beginnen sich zu erwärmen. Mein Dienst ist beendet. »Danke, Caterina. Geh jetzt
     in dein Bett, Caterina.« Ich bin wütend und könnte heulen. Doch wenn ich jetzt in Tränen ausbräche, würde ich nur ein Du-gehst-mir-auf-die-Nerven-Caterina
     zu hören bekommen.
    Mit erstickter Stimme sage ich:
    »Gute Nacht, Signora.«
    »Gute

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