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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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die mir, obwohl sie diesmal unter wesentlich günstigeren Bedingungen vonstatten geht,
     recht beschwerlich erscheint. Vielleicht verbinde ich sie in Gedanken mit dem Gefühl einer Niederlage.
    Oben lasse ich mich auf die Knie fallen. Die Luke des Wachtturms, von dem aus man die Bucht überblicken kann, ist erleuchtet,
     und ich sehe deutlich den Kopf eines Soldaten. Es war vielleicht unüberlegt, Geronimo zu sagen, es bestünde keine Gefahr.
     Ich bin nicht sicher, ob mich das hohe Gestrüpp hinter dem Haus dem Blick des Postens verdeckt, zumal die vielen Kerzen in
     den Fenstern den kleinen Platz vor dem Haus hell beleuchten.
    Ich lege mich flach auf den Bauch, robbe zur Tür und bin heilfroh über meine schwarze Kleidung. Ich klopfe gegen das Eichenholz
     der Tür und befehle gleichzeitig:
    »Caterina, lösch die Kerzen aus, bevor du aufmachst, und schließ die Läden.«
    Sie tut, was ich sage. Dunkelheit hüllt den Erdstreifen ein, ich stehe auf und gehe hinein. Gott sei Dank, die Kaminfeuer
     sind heruntergebrannt.
    »Durchlaucht, das Boot ist da. Die Wache ist in Alarmbereitschaft. Es wird Zeit.«
    Vittoria steht am Feuer, der Fürst ihr gegenüber. Ich habe den Eindruck, daß Orsini trotz seiner Weltgewandtheit und seines
     Selbstvertrauens eines Fürsten in diesem Augenblick nicht weiß, was er tun oder sagen soll. Er scheint im Begriff, Vittoria
     die Hand küssen zu wollen; doch es bleibt bei einer angedeuteten Bewegung, da Vittorias Hand der seinen nicht entgegenkommt.
    »Signora …«, sagt er.
    Doch er spricht nicht weiter. Ein Abschiedsgruß scheint ihm der Situation nicht angemessen.
    |195| Endlich entschließt er sich zu einer Verbeugung, dreht sich mit einem gewissen Stolz um und geht abrupt aus dem Zimmer. Er
     ist schon an der Tür, als Vittoria – bisher reglos und unbewegt wie eine Marmorstatue – einen Schritt auf ihn zu macht, stehenbleibt
     und mit tonloser Stimme sagt:
    »Lebt wohl, Paolo!«
    Und dieses Lebewohl scheint endgültig zu sein. Dabei nennt sie ihn beim Vornamen, was sie seit Perettis Auftritt nicht mehr
     getan hat. Orsini wendet den Kopf nach ihr, sieht sie zögernd an, reißt sich aber los und geht energischen Schrittes hinaus.
     Es ist klar: er hat nicht gewagt, sie zu umarmen. Und daran hat er, glaube ich, nicht recht getan, so zartfühlend er ist.
     Wozu ist er ein großer Kapitän, wenn er die Ambivalenz der weiblichen Seele nicht besser durchschaut?

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    |196| KAPITEL VII
    Caterina Acquaviva:
     
    Nachdem der Fürst und Marcello gegangen waren, wollte auch die Signora sich draußen vergewissern, daß die beiden unbehelligt
     ihr Boot erreicht hatten. Die Nacht war stockfinster und für die Jahreszeit sehr kühl. Wir lauschten, konnten aber nichts
     hören und auch nichts weiter sehen als ein paar schwankende kleine Lichter auf dem Meer, die auf der Galeere angezündet worden
     waren, um dem zurückkehrenden Fürsten den Weg zu weisen. Wir blieben auf der Schwelle, denn der Wachtturm war immer noch erleuchtet,
     und wir befürchteten, in dem schwachen Lichtschein gesehen zu werden.
    Wieder im Haus, half ich der Signora beim Entkleiden. Sie ging sofort zu Bett; doch während ich mich auf der anderen Seite
     des Vorhangs noch auszog, klagte sie zu frieren und verlangte, ich solle mich zu ihr legen. Und wirklich: in ihrem Bett stellte
     ich fest, daß ihre Hände und Füße eiskalt waren. Meine dagegen glühten, worüber die Signora immer wieder staunt, obwohl es
     nicht verwunderlich ist, denn ich bin den lieben langen Tag beschäftigt, während sie nichts tut – nicht einmal ihren Rock
     zieht sie allein aus oder an. Wenn man’s recht bedenkt, sind diese Adligen schon eine Welt für sich: von der Wiege bis zur
     Bahre brauchen sie eine Amme. Ohne uns wären sie wirklich verloren.
    Kaum liege ich neben der Signora, schmiegt sie ihre Füße an meine, und ich nehme ihre eiskalten Hände und lege sie zwischen
     meine Brüste. Ich schweige. Ich will sie mit meinem Geplapper nicht verärgern. Sie wäre nämlich imstande, mich wegzuschicken,
     sobald sie nicht mehr friert. Und ich will bei ihr bleiben. Sie ist so schön und riecht so gut. Schade, daß sie nicht ein
     armes Mädchen ist wie ich: wir könnten einen Teil der Nacht damit hinbringen, über unsere Männer zu reden.
    Ich täusche mich. Sie redet darüber, aber anders, als ich vermutet hätte.
    »Caterina«, fragt sie, »hast du letzte Nacht mit Marcello gesündigt?«
    |197| Ich überlege, ob ich lügen soll oder

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