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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Wesson Kit Gun wie jede Nacht griffbereit.

50 »NOCH MEHR UNANNEHMLICHKEITEN«
    Rydells krebskranker Vater hatte Rydell kurz vor seinem Tod eine Geschichte erzählt. Er behauptete, er habe sie aus einem Buch berühmter oder zumindest denkwürdiger letzter Worte.
    Ein Mann war in England hingerichtet worden, damals in der alten Zeit, als Hinrichtungen mit Absicht so grausam wie irgend möglich durchgeführt wurden, und nachdem man ihn mit glühenden Eisen gebrannt, aufs Rad geflochten und diverser anderer schauerlicher Strafen unterzogen hatte, wurden dem Mann der Block und das Henkersbeil gezeigt.
    Und nachdem er die verschiedenen Torturen unerschütterlich und schweigend über sich hatte ergehen lassen, gab er auch beim Anblick des Beils, des Blocks und des stämmigen Henkers keinen Ton von sich.
    Aber dann kam ein weiterer Peiniger, der ein Sortiment grausiger Werkzeuge bei sich trug, und man teilte dem Mann mit, dass ihm vor der Enthauptung der Bauch aufgeschlitzt werden sollte.
    Der Mann seufzte. »Noch mehr Unannehmlichkeiten«, sagte er.
     
    »Wenn die mich haben wollen«, sagte Rydell, der sich neben dem tantobewehrten Mann mit dem Mantel dahinquälte, »warum schnappen die mich dann nicht einfach? «
    »Weil Sie mit mir zusammen sind.«
    »Warum erschießen die Sie nicht einfach?«

    »Weil wir – diese Männer und ich – denselben Auftraggeber haben. In gewissem Sinn.«
    »Und der würde nicht zulassen, dass die Sie erschießen?«
    »Das käme darauf an«, sagte der Mann.
    Rydell sah, dass sie zu der namenlosen Bar kamen, in der er Buell Creedmore jenes alte Lied hatte singen hören. Dort ging es ziemlich geräuschvoll zu: laute Musik, Gelächter, ein Pulk junger Leute vor der Tür, die Bier tranken und in aller Öffentlichkeit Zigaretten rauchten.
    Seine Seite tat ihm bei jedem Schritt weh, und er dachte an Rei Toei, wie sie leuchtend auf seinem Kissen thronte. Er fragte sich, was der Projektor, den er da über der Schulter hatte, für sie bedeutete. War er ihr einziges Mittel, sich hier zu manifestieren, mit Menschen zu interagieren? Wie war das, wenn man ein Hologramm war? Fühlte es sich überhaupt nach irgendwas an? (Er bezweifelte es.) Oder schufen die Programme, die sie generierten, irgendwie eine umfassendere Illusion des Daseins? Aber wenn man ohnehin schon nicht real war, womit konnte man das Nichtsein dann vergleichen?
    Was ihn momentan jedoch viel mehr beunruhigte, war, dass Laney, Klaus und auch der Hahn den Projektor für wichtig, wirklich wichtig gehalten hatten, und nun hinkte er, Rydell, hier bereitwillig neben diesem Killer her, diesem Mann, der allem Anschein nach für denjenigen arbeitete, der es auf Rydell und wahrscheinlich auch auf den Projektor abgesehen hatte, und er ging einfach mit ihm mit. Wie ein Schaf zur Schlachtbank.
    »Ich will mal eben hier rein«, sagte Rydell.
    »Warum?«
    »Einen Freund besuchen«, sagte Rydell.
    »Ist das ein Fluchtversuch?«
    »Ich will nicht mit Ihnen mitgehen.«
    Der Mann musterte ihn durch die dünnen runden Gläser seiner Brille. »Sie komplizieren die Dinge«, sagte er.

    »Dann bringen Sie mich doch um.« Rydell biss die Zähne zusammen, als er seine Last nach vorn schwang und an den Rauchern an der Tür vorbei in den warmen, lauten Bierdunst und die energiegeladene Menge hineintaumelte.
    Creedmore stand mit Randy Shoats und einem Bassisten mit Koteletten auf der Bühne, und der Song, den sie gerade spielten, kam genau in diesem Moment zu seinem natürlichen Schluss, Creedmore sprang mit einem letzten Juchzer in die Luft, und die Musik brach um ihn herum zusammen.
    Die Menge brüllte, stampfte und klatschte. Rydell hatte Creedmores Augen im Bühnenlicht glanzlos und hell wie die einer Puppe aufblitzen sehen. »He, Buell!«, brüllte er. »Creedmore!« Er stieß jemand mit der Schulter beiseite und ging weiter. Jetzt war er höchstens noch zwei, drei Meter von der Bühne entfernt. »Buell!« Es war nur eine kleine Bühne, vielleicht dreißig Zentimeter hoch, und die Menge war nicht gar so dicht.
    Creedmore sah ihn. Er kam von der Bühne herunter. Sein Cowboyhemd mit den Perlmuttknöpfen war bis zur Taille offen, seine eingesunkene weiße Brust glänzte vor Schweiß. Jemand gab ihm ein Handtuch, und er wischte sich grinsend das Gesicht damit ab, zeigte lange gelbe Zähne und kein Zahnfleisch. »Rydell«, sagte er. »Alte Arschgeige. Wo hast du gesteckt?«
    »Hab dich gesucht, Buell.«
    Der Mann mit dem Messer legte Rydell die Hand auf die

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