Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
war. Die vier Stühle im Aufenthaltsraum hatten sehr hohe, sehr schmale Rückenlehnen, die sich alle zu einer Ausgabe des Koboldhuts aus sandgestrahltem Stahl verjüngten. Auf einem dieser erstaunlich unbequemen Stühle hockte Laney vornüber gebeugt und umklammerte seine geprellten Rippen. Er hatte ziemliche Schmerzen. Wie sich herausgestellt hatte, war das Blut in seiner Socke sein eigenes; es stammte von einer abgeschürften Stelle an seinem linken Schienbein, auf die er ein Mikropor-Pflaster aus dem professionell aussehenden Verbandskasten in Arleighs Badezimmer geklebt hatte. Er bezweifelte, daß der auch etwas für seine Rippen enthielt, fragte sich aber, ob ein elastischer Verband vielleicht helfen würde. Yamasaki saß auf dem Stuhl zu seiner Rechten und steckte mit glänzenden goldenen Sicherheitsnadeln aus einem Koboldhut-Behelfsnähzeug den Ärmel seines karierten Jacketts wieder fest. Laney sah zum ersten Mal in seinem Leben, daß jemand das Behelfsnähzeug eines Hotelzimmers tatsächlich zu irgendwas benutzte. Yamasaki hatte seine kaputte Brille abgenommen, hielt sich das Jackett dicht vor die Augen und werkelte dran herum. Dadurch wirkte er älter und irgendwie gelassener. Der rothaarige Techniker, der Shannon hieß, saß kerzengerade rechts von Yamasaki und las ein Werbeexemplar eines Modemagazins.
    -236—
    Rez lümmelte sich auf dem Bett in der maximal verfügbaren Anzahl von Kissen, und Willy Jude saß an dessen Fußende und surfte mit seinen Videogeräten durch die Kanäle. Die Panik im Western World war anscheinend noch nicht in die Nachrichten vorgedrungen, obwohl der Drummer behauptete, auf einem der Szene-Kanäle eine versteckte Andeutung aufgeschnappt zu haben.
    Arleigh stand am Fenster und drückte einen Eiswürfel in einem weißen Waschlappen an ihre geschwollene Lippe.
    »Hat er was gesagt, wann er hier auftauchen würde?« Rez, vom Bett aus.
    »Nein«, sagte Arleigh, »aber er hat deutlich zum Ausdruck gebracht, daß du warten sollst.«
    Rez seufzte.
    »Laß die Leute auf dich aufpassen, Rez«, sagte Willy Jude.
    »Dafür werden sie ja bezahlt.«
    Laney war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, daß sie alle zusammen mit Rez auf Blackwell warten sollten. Jetzt beschloß er, den Versuch zu unternehmen, auf sein eigenes Zimmer zu gehen. Sie konnten schließlich nichts weiter tun, als ihn aufzuhalten …
    Blackwell machte die Tür vom Flur aus auf und steckte dabei etwas Schwarzes ein, bei dem es sich eindeutig nicht um einen gewöhnlichen Zimmerschlüssel handelte. Auf seiner rechten Wange war ein blasses Mikropor-X, dessen längster Arm bis zu seiner Kinnspitze ging.
    »Abend, Keithy«, sagte Rez.
    »Du darfst wirklich nicht einfach so abhauen«, sagte der Bodyguard. »Diese Russen sind ’ne knallharte Truppe. Geben sich richtig Mühe, die Jungs. Wär nicht gut, wenn die dich in die Finger kriegen würden, Rez. Überhaupt nicht gut. Würde dir nicht gefallen.«
    -237-
    »Kuwayama und die Plattform?«
    »Eins muß ich dir sagen, Rez.« Blackwell blieb am Fußende des Bettes stehen. »Ich hab dich mit Weibern rumziehen sehen, denen ich nicht im Dunkeln begegnen möchte, aber die waren wenigstens menschlich. Verstehst du, was ich meine?«
    »Ja, Keithy«, sagte der Sänger. »Ich weiß, wie du zu ihr stehst. Aber du kommst auch noch dahinter. Das ist nun mal der Lauf der Dinge, Keithy. Der neuen Dinge. Der neuen Welt.«
    »Davon versteh ich nichts. Mein alter Herr war Maler und Hafenarbeiter; ich hab nur ’nen Pflichtverteidiger gekriegt. Hat ihm das Herz gebrochen, daß ich so ’n Krimineller geworden bin. Ist gestorben, bevor du mich ausm B-Block rausgeholt hast. Wär schön gewesen, wenn er noch gesehen hätte, wie ich Verantwortung übernehme, Rez. Für dich. Für deine Sicherheit. Aber jetzt weiß ich nicht mehr so recht. Kann sein, daß es ihn nicht besonders beeindrucken würde. Vielleicht würde er sagen, daß ich bloß auf ’nen Schwachkopf und aufgeblasenen Wichtigtuer aufpasse.«
    Rez kam vom Bett herunter, wobei er Laney mit seiner Schnelligkeit und der Anmut des Showmanns überraschte, und stand dann vor Blackwell, die Hände auf den gewaltigen Schultern. »Aber du glaubst das nicht, stimmt’s, Keithy? In Pentridge hast du’s nicht geglaubt. Nicht, als du gekommen bist, um mich rauszuholen. Und auch nicht, als ich zurückgekommen bin, um dich rauszuholen.«
    Blackwells Augen glänzten. Er wollte gerade etwas sagen, aber auf einmal stand Yamasaki blinzelnd auf und

Weitere Kostenlose Bücher