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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Ergebnis hoffentlich keiner. Ein Freund der Frau ist gekommen, sie haben sich letzte Woche getroffen, und ich warte auf einen zweiten Freund.«
    »Darf ich dabeisein?«
    »Ich führe meine Gespräche allein, hast du das vergessen? Kannst du bitte die Anrufe entgegennehmen, solange Valerie beschäftigt ist?«
    »Ja«, sagte Liz. Sie wollte etwas hinzufügen. Dann ließ sie Fischer an sich vorbeigehen. Sie lächelte, als er sich im niedrigen Türstock bücken mußte. Gespräche! dachte sie, schön wär’s!
    Aber es waren Gespräche, die Polonius Fischer in seinem speziellen Raum führte oder wenigstens zu führen versuchte. Er stellte eine Frage, und wenn er keine Antwort erhielt, sondern sein Gegenüber sich im Dickicht einer Abschweifung verhedderte oder absichtlich ein anderes Thema wählte, hörte er zu und änderte die Art seiner Fragen. Was er selten tat, war, über einen längeren Zeitraum hinweg zu schweigen; er duldete auch bei Zeugen kein unnötiges Schweigen. Was nicht daher kam, daß er Weningstedts Überzeugung teilte, Schweigen sei ein Zeichen von Schuld und die Wahrheit dulde keine Widersprüche, weshalb ein Unschuldiger niemals Angst vor unbedachten und vorschnellen Äußerungen zu haben brauche; gerade die Wahrheit vereinigte in Fischers Augen sämtliche Schattierungen der absonderlichsten Gegensätze.
    Der Grund, warum er ausgedehntes Schweigen ablehnte, hing mit dem Übermaß an Stillsein zusammen, in das er seine Demut vor Gott gebettet hatte und das ihm Jahr für Jahr schwerer gefallen war, vor allem da seine Demut auf unheimliche Weise an Leuchtkraft verlor und dieses Empfinden ihn wie eine Todsünde belastete.
    Außerdem war Schweigen kompliziert zu protokollieren.
    Nach anfänglichem Sprudeln versiegte der Sprechfluß von Eduard Knapp. »Freunde, wie Sie sich ausdrücken, sicher hat sie Freunde… gehabt, Freunde, die ihr nahestehen, ist doch verständlich, sie ist nicht verheiratet… gewesen… Ich hab heut noch keine Zeit gehabt, in die Zeitung zu schauen, deswegen war ich total fertig, als Ihr Kollege mich angerufen hat. Wir schichten grad um im Laden, die alten Anrufbeantworter müssen raus, die Leut wollen nur noch digitale Ware, ist ja logisch… Freunde, sicher…«
    Valeries Finger verursachten ein rhythmisches Klacken auf der Tastatur des Laptops.
    »Wir wissen, wo Sie sich getroffen haben, und wann und wie oft«, sagte Fischer. »Und Frau Schubart hat am letzten Montag, heute vor einer Woche, keine Andeutungen gemacht, was sie im Lauf der Woche vorhat?«
    Knapp schüttelte den Kopf.
    »Wo waren Sie am Wochenende?«
    »Bitte?« Er drehte seine Hände, vollführte vage Gesten, schnippte mit Daumen und Mittelfinger.
    »Ich?« Er betrachtete seine Fingernägel und verschränkte die Arme. »Das ist, glaub ich, meine Privatsache.«
    »Selbstverständlich«, sagte Fischer.
    Sie saßen sich an dem viereckigen Tisch gegenüber. Knapp versteifte seinen Oberkörper und sah dem Kommissar mit harter Miene in die Augen. »Ich hab mit dem Tod von Nele nichts zu tun. Am Wochenende war ich privat unterwegs, und wenn Sie ein Alibi von mir wollen, schreib ich Ihnen die Adresse meines Anwalts auf, an den können Sie sich dann wenden. Okay?«
    »Danke«, sagte Fischer. Er drehte den unlinierten Block, den er für seine Notizen benutzte, herum und legte den Kugelschreiber daneben.
    »Schreiben Sie mir bitte den Namen, die Adresse und die Telefonnummer des Anwalts auf, dann drucken wir in der Zwischenzeit Ihre Aussage aus, Sie lesen sie durch und unterschreiben sie, wenn alles paßt.«
    Knapp saß reglos da; dann zuckten seine Mundwinkel. »Sonst haben Sie aber schon genug zu tun?«
    »Es wird nicht weniger.« Valerie begegnete Fischers Blick mit ihrer professionellen Gleichmütigkeit, die sie abrufen konnte, wann und in wessen Gegenwart auch immer sie diesen Raum betrat. Fischer bewunderte ihre Gabe, in Anwesenheit auch des lautesten und aggressivsten oder eines vor Verzweiflung heulenden oder die widerlichsten Einzelheiten auskotzenden Zeugen hinter ihrem aufgeklappten Laptop zu verschwinden, als würde sie unsichtbar. Für diese Arbeit, die zu den verantwortungsvollsten, innerlich aufwendigsten und zeitintensivsten Pflichten einer Assistentin bei der Kriminalpolizei zählte, erhielt sie offiziell keinen Cent extra – abgesehen von der Summe, die ihr Silvester Weningstedt auf jeder Weihnachtsfeier überreichte, deren Höhe außer ihm niemand kannte und die Valerie oder er nie verrieten; in das

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