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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Stimme.
    »Frau Bliß? Weningstedt, Kriminalpolizei noch mal. Sind Sie inzwischen vollzählig?«
    »Ja. Gibt es schon Hinweise?«
    Ihre Stimme war kaum zu verstehen, es hörte sich an, als halte sie sich ein Taschentuch vor den Mund.
    »Mein Kollege, Herr Fischer, und meine Kollegin, Frau Sinkel, sind in einer halben Stunde bei Ihnen. Bitte versuchen Sie sich zu konzentrieren, versuchen Sie nur auf die Fragen meiner Kollegen zu antworten und, wenn es Ihnen möglich ist, nicht zu viele eigene Fragen zu stellen. Meine Kollegen bleiben so lange bei Ihnen, wie Sie möchten. Frau Bliß?«
    »Ja?«
    Im Hintergrund war ein Husten zu hören, eine flüsternde Stimme.
    »Möchten Sie, daß meine Kollegen einen Arzt mitbringen, einen Psychologen, der Ihnen beisteht?«
    »Nein, das ist nicht nötig. Danke, Herr… Wir warten dann auf Ihre Kollegen.«
    »Könnte ich kurz mit Ihrem Mann, verzeihen Sie, mit dem Vater Ihrer Tochter sprechen?«
    Liz war bereits an der Tür, um aus ihrem Büro ihre Jacke und ihren Schreibblock zu holen. Sie blieb stehen und drehte sich noch einmal um.
    »Hier Dr. Schubart«, sagte der Mann ins Telefon.
    »Weningstedt. Wie geht es Ihnen?«
    »Wir sind hier alle unfähig, miteinander zu reden, wir haben jeder einen Obstler getrunken, ist das erlaubt?«
    »Das ist kein Problem. Wer ist bei Ihnen?«
    »Margarete, Neles Mutter, ihr Mann und meine Frau, wir haben uns seit Jahren nicht mehr zu viert getroffen. Und nun.«
    »Möchten Sie psychologischen Beistand, Herr Doktor? Die Mitarbeiter unseres Interventionsteams sind sehr erfahren, in keiner Weise aufdringlich.«
    »Das ist freundlich von Ihnen. Nein, wir bemühen uns. Haben Sie neue Informationen für uns?«
    »Es gibt Anhaltspunkte, wir tasten uns vorwärts. Wir hoffen, bald einen konkreten Hinweis auf den Aufenthaltsort Ihrer Enkelin zu finden, wir sind zuversichtlich. Der Tag ist noch lang.«
    Nach dem Telefonat ging Weningstedt zum Fenster, öffnete es und atmete die kühle Luft ein. Weißgraues Licht lag über der Stadt. Unten in der Burgstraße, schräg gegenüber der Mordkommission, bestaunte eine Gruppe Touristen das Haus, in dem Mozart seine Oper »Idomeneo« komponiert hatte; als eine der Frauen auf das ehemalige Falkenhaus zeigte und die anderen ihrem Blick folgten, schloß Weningstedt das Fenster und rieb sich die Brust.
    »Du siehst müde aus«, sagte Fischer.
    »Und dir hängen die Augenringe bis zu den Knien.«
    Als Fischer das schmiedeeiserne Tor an der Eingangstür hinter sich schloß, sah Liz ihn mit ernster Miene an. »Ich war noch nie bei einer Angehörigenbefragung so kurz nach dem Fund der Leiche dabei.«
    »Das weiß ich.«
    »Wie soll ich mich verhalten?«
    »Keine Warum-Fragen«, sagte Fischer.
    »Warum?« fragte Liz und hielt sich wie ein erschrockenes Kind die Hand vor den Mund.
    »Keine Fragen, die eine Stellungnahme herausfordern, keine Fragen, die du auch als Nichtfragen formulieren kannst, keine Suggestivfragen, keine rhetorischen Fragen, keine provozierenden Fragen, keine Fragen, die nur deiner Neugier dienen, keine Fragen, die du nicht sofort zurücknehmen kannst, wenn du auf Ablehnung oder Unverständnis stößt, keine Gegenfragen natürlich. Und keine Warum-Fragen deshalb, weil Warum in so einem Zusammenhang einen unhöflichen Unterton hat.«
    Bevor sie in den Dienstwagen stiegen, fragte Liz: »Was bleiben dann noch für Fragen übrig?«
    »Solche, die die Hoffnung vergrößern«, sagte Fischer und hielt ihr die Beifahrertür auf.
    7   Niemand, der mich beachtet
    D ie beiden Frauen saßen auf der Couch. Gregor Bliß, der Ehemann von Neles Mutter, hatte im Sessel Platz genommen und wuchtete seine einhundertdreißig Kilo in die Höhe, als Dr. Jan-Erich Schubart die Besucher ins Zimmer führte. Liz roch die Ausdünstungen von Schnaps, nickte wortlos und hoffte, Fischer würde das Wort ergreifen. Das tat er.
    Er stellte seine Kollegin und sich vor, übermittelte das Beileid der Mordkommission und bat die beiden Männer, sich wieder zu setzen. Ein Getränk lehnte er, auch im Namen von Liz, ab, bestand aber darauf, daß seine Kollegin sich auf einen der zusätzlich bereitgestellten antiken Stühle setzte, während er stehen blieb. Die stuckverzierte Decke der Altbauwohnung war hoch, so daß Fischers Größe nicht schon auf den ersten Blick einschüchternd wirkte. Allerdings glaubte er nach kurzer Zeit ein gewisses Unbehagen bei den Familienmitgliedern wahrzunehmen; er kam sich wie ein Lehrer oder Dozent vor, der durch

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