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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Mord aufklären.«
    »Hoffentlich. Wie läuft’s bei dir im Moment?«
    »Viel besser als im Frühjahr.«
    »Gratuliere. Und wie geht’s deiner Frau?«
    »Sehr gut. Ich muß wieder los, Franz.«
    »Ich sag dir was, ich bin froh, daß es nicht deine Freundin war, die da in meinem Keller lag.«
    Sie hatte ihren Hunger vergessen. Als der Mann, den sie Papa nennen mußte, was aber nicht schlimm war, vom Telefonieren zurückkam, hielt sie ihm das Brot mit dem Schinken und dem Salat hin und sah wieder aufs Meer hinaus, bis zum Horizont, wo schon zwei Schiffe aufgetaucht und wieder verschwunden waren; sie hatte ihnen zugewinkt, und der Papamann hatte gesagt, die Schiffe könnten sie auf die Entfernung nicht erkennen. Das stimmte nicht, woher wollte er das wissen? Er hatte eine dunkle Brille auf und schaute dauernd woandershin, als wäre ein Geist hinter ihm her.
    Die Schiffe haben mein Winken genau gesehen, stimmt’s, Toni?
    6   Die Frau an der Grenze
    » D as kann man so nicht sagen.«
    »Dann sagen Sie es anders.«
    »Das klingt so negativ.«
    »Es waren Ihre Worte«, sagte Polonius Fischer.
    »Nein«, sagte Silvia Mangold. »Ich habe davon gesprochen, daß sie oft abwesend ist, in sich versunken.«
    »Sie haben gesagt, Katinka verweigert jegliche Zuwendung.«
    »Ja, aber nicht im Sinne von abschotten oder aggressiver Abwehr. Sie bleibt gern für sich.«
    »Und das fällt Ihnen schwer zu akzeptieren.«
    »Natürlich! Einen Moment. Jetzt ist es besser. Ich muß mein Bein hochlegen, sonst hab ich wieder Schmerzen. Zum Glück ist der Gips ab. Ich bin eine absolut ministeriumsfreundliche Lehrerin, wenn ich krank werde oder mir die Haxen breche, dann nur in den Ferien, am ersten Schultag bin ich wieder fit.«
    »Erinnern Sie sich an den letzten Schultag vor den Ferien?«
    »Katinka war nicht da. Sie war angeblich krank, wieder mal.«
    »Haben Sie mit ihrer Mutter gesprochen?«
    »Nein, ich nicht. Frau Ebersfeld, die Schulleiterin, hat mit Frau Schubart telefoniert, sie hat mir nur die Meldung weitergegeben. Wir sind ja verpflichtet, zu Hause anzurufen, wenn ein Kind nicht auftaucht.«
    »Und Sie sind sich sicher, daß Sie nie Verletzungen oder Wunden bemerkt haben?«
    »Katinka ist immer hübsch angezogen, sie macht beim Turnen mit, sie ist körperlich vollkommen normal, nur halt still und zurückgenommen, und sie läßt sich nicht gern anfassen.« Seit fast dreißig Minuten redete Fischer mit der Grundschullehrerin. Er hatte sich zwei Namen von Mädchen notiert, mit denen Katinka anscheinend enger befreundet war, und versucht, einen Hinweis auf das Verschwinden und einen möglichen Fluchtort der Siebenjährigen herauszuhören. Doch alles, was er erfuhr, lenkte ihn nur ab. Wenn er ehrlich zu Silvia Mangold gewesen wäre, hätte er ihr sagen müssen, daß das Gespräch für ihn keinen Sinn ergebe und ihm für Spekulationen die Zeit fehle. Mochte ja sein: Katinka war verschlossen und abweisend. Mochte ja sein: Sie sonderte sich ab. Mochte ja sein: Sie sah oft blaß und übermüdet aus, zeigte aber ansonsten keine Auffälligkeiten oder Anzeichen häuslicher Gewalt. Mochte alles sein. Was wirklich mit ihr los war, wußte die Lehrerin nicht, und auch die Schulleiterin würde es nicht wissen, und Katinkas Freundinnen würden mit der Schulter zucken und sagen, sie sei ganz normal, halt etwas verklemmt. Natürlich würde Fischer seine Kollegin Gesa Mehling zu den Familien der Mädchen schicken – falls diese nicht verreist waren – und die üblichen Mutmaßungen ins Ermittlungsprotokoll mit aufnehmen.
    Wie fast immer – das ahnte er an diesem Montag vormittag, nachdem er das Telefonat mit der Lehrerin beendet hatte – würden seine Erkenntnisse auch im Fall Schubart am Ende nicht auf mitmenschlicher Genauigkeit und auf dem Triumph des guten Schauens über das schlechte basieren, sondern einzig und allein auf der ernüchternden Wirkung getippter Fakten, die das Leben und Sterben ohne Ansehen der Person in eine gerichtsverwertbare Beweismasse verwandelten.
    »Die Zahnbürste fehlt«, sagte Esther Barbarov am Telefon. »Die der Mutter ist da, aber die des Mädchens können wir nicht finden. Außerdem steht hier nur eine Zahnpastatube für Erwachsene. Dazu paßt, daß im Schrank des Kinderzimmers offenbar Sachen fehlen, Unterwäsche. Im Gegensatz zu den anderen ist dieser Stapel umgekippt, ein paar Hemdchen und T-Shirts liegen kreuz und quer, als habe jemand in aller Eile was zusammengesucht.«
    »Die Nachbarn haben nichts

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