Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
haben.«
    »Und warum nicht?« fragte Liz.
    »Die Frau war in Eile, wir konnten nur knapp zehn Minuten mit ihr sprechen. Uns ging’s darum zu erfahren, ob sie in jüngster Zeit Kontakt zu ihrem Mann gehabt hat. Für unsere aktuellen Ermittlungen bringt sie uns so wenig wie ihr Sohn. Siehst du das anders, P-F?«
    »Nein«, sagte Fischer. »Trotzdem möchte ich auch mit ihr sprechen, heute noch.« Ausnahmsweise hätte er jetzt lieber eine Weile geschwiegen, Notizen gelesen, Gedanken niedergeschrieben, die Leerstellen markiert, die abwesenden Gesichter mit einem gelben Leuchtstift umrandet. Er durfte nicht schweigen; schweigen war das Privileg von Nonnen und Mönchen, von Tatverdächtigen und Lügnern; und von Gott. Er sagte: »Wir haben Nachbarn, die nichts gesehen haben. Eine Mutter und ihre Tochter verlassen die Wohnung und begegnen niemandem, mitten in einem belebten Viertel, in einer Gegend, in der ein Haus neben dem anderen steht. Es regnete nicht, Leute hielten sich im Garten auf, benutzten dieselbe Strecke wie Nele und Katinka. Dennoch haben wir Zeugen, die die Frau innerhalb der letzten Wochen gesehen haben. Einer von ihnen bestreitet die Begegnung, raunt aber gleichzeitig etwas von Mord oder zumindest von einem Menschen, der gegen seinen Willen sterben mußte.
    Kein Eintrag über Sebastian Flies bei Inpol. Fingerabdrücke liegen inzwischen vor, illegal, weil wir sie von seinem Wasserglas genommen haben, eine Übereinstimmung mit denen aus der Tiefgarage gibt es bisher nicht, auch nicht mit Spuren aus der Wohnung am Nothkaufplatz. Solange wir nicht wissen, weshalb er seine Bekanntschaft mit Nele Schubart leugnet, bleibt er unser erster Hauptverdächtiger. Ich werde ihn in sein Hotel begleiten und versuchen, einen Blick in sein Zimmer zu werfen. Er wird, wie gesagt, überwacht und sitzt morgen um acht Uhr wieder hier. Und jetzt kommst du endlich zu Wort, Liz.« Drei Stunden hatte Liz Sinkel telefoniert, und was sie herausgefunden hatte, verwirrte und beschämte sie gleichermaßen. »Früher war das kleine Mädchen in einem Ganztagskindergarten, da arbeitete ihre Mutter in einer Parfümerie am Harras, die war für sie direkt mit der U-Bahn zu erreichen. Dann kam Katinka in die Schule, und Nele fing im Kaufhaus an, von dreizehn bis zwanzig Uhr. Sie holte ihre Tochter von der Schule ab und nahm sie mit. Katinka verbrachte jeden Nachmittag in einem separaten Raum im Kaufhaus. Der Geschäftsführer meint, sie hätt es gut dort gehabt, da waren Spielsachen und Bücher, und wenn sie neue Schulhefte und Stifte brauchte, hätt sie das meiste aus dem Restbestand geschenkt bekommen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, das Kind hatte überhaupt keine Privatsphäre, es mußte ständig dort sein, wo die Mutter war. Samstags genauso. Als das Kaufhaus nur bis vierzehn Uhr geöffnet hatte, ließ Nele ihre Tochter meistens allein zu Hause, das haben zwei ihrer Kolleginnen ausgesagt, die sie länger kennen. Nach der Umstellung auf zwanzig Uhr nahm sie sie dann wieder mit, aber nicht immer, manchmal, und wenn nicht, blieb das Mädchen allein in der Wohnung, den ganzen Tag.«
    »Hat das Mädchen keine Freundinnen?« fragte Gesa.
    »Das hab ich nicht rausgefunden, anscheinend nicht. In meinen Aufzeichnungen ist nur die Rede davon, daß Katinka entweder im Kaufhaus war oder daheim, so hat es wohl die Mutter selber ihren Kolleginnen erzählt.«
    Weningstedt zückte wieder seinen gespitzten Bleistift. »Die Frau hat doch Familie, das Mädchen hat Oma und Opa, wieso haben die sich nicht gekümmert?«
    Liz wartete, ob Fischer etwas erwiderte, dann sagte sie: »Wie wir euch schon berichtet haben: Nele Schubart hat den Kontakt abgebrochen.«
    »Das Mädchen verbrachte also jede freie Minute bei seiner Mutter«, sagte Weningstedt, »oder nur mit sich. Schrecklich. Und was war am vergangenen Freitag?«
    »Wenn der Nachbar sich nicht getäuscht hat«, sagte Fischer, »dann hat Nele das Haus allein verlassen, das Mädchen blieb in der Wohnung. Angenommen, Nele kam nicht mehr zurück, dann ist Katinka entweder selbständig weggegangen, oder der Täter hat sie geholt. Wie? Hatte er einen Schlüssel? Möglich, wir haben bei der Toten keinen gefunden. Die Wohnung war abgesperrt, als Esther und Micha hinkamen. Der Täter legt die Leiche in dem Schrank ab, fährt den relativ kurzen Weg zur Wohnung, sperrt auf. Was passiert? Erschrickt das Mädchen so sehr, daß es unfähig ist, sich zu wehren? Vielleicht. Dann suchen wir einen extrem

Weitere Kostenlose Bücher