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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gleichzeitig wie einen Segen, die begonnenen Dinge weiterzutun, mutvoll und geduldig.
    »Das Geschenk ist sehr schön«, sagte er.
    »Danke.«
    »Man nennt sie auch Pancha Buddhas«, sagte Liz. »Ich weiß aber nicht, was das bedeutet.«
    »Danke«, wiederholte Fischer, stand auf, ging ins Nebenzimmer zu seinem Schreibtisch, stellte die Figur auf einen kleinen weißen Block, den er nie benutzte, und drehte sie so, daß sie zu ihm hersah, wenn er arbeitete. Er setzte sich und stellte fest, daß der Buddha seinen Blick gesenkt hielt, als wolle er sowohl sich selbst als auch sein Gegenüber nicht stören. Fischer nahm die Figur wieder in die Hand – sie erschien ihm noch kälter als zuvor – und drehte sie herum. Er lachte. Die Rückseiten der durch den stilisierten Schmuck noch länger wirkenden Ohren waren rot bemalt und sahen aus wie Zungen, die rechts und links auf die Schultern herabhingen. Als Fischer den Buddha wieder hinstellte, hatte er für eine Sekunde den Eindruck, die dünnen roten Lippen würden sich zu einem Lächeln verziehen.
    »Danke«, sagte er zum drittenmal und blieb, wie seine Kollegen, vor dem langen Holztisch stehen, während Weningstedt und Walter Gabler sich als einzige setzten. Sie hatten bereits begonnen, die aktuellen Informationen auszutauschen.
    Die Überprüfung des Bankkontos von Nele Schubart hatte keine Auffälligkeiten ergeben. Das Kaufhaus überwies pünktlich ihren Lohn, der offensichtlich für Miete und Unterhalt ausreichte. Seit mehr als einem Jahr hatte keine Bareinzahlung mehr stattgefunden, das letzte Mal waren es eintausendzweihundert Euro gewesen, die – wie Micha Schell ermittelt hatte – von Max Ebert stammten, der Nele nach eigenen Worten »unter die Arme greifen« wollte. Verlangt habe sie das Geld jedenfalls nicht von ihm, obwohl sie einmal eine Bemerkung fallengelassen habe, sie sei in finanziellen Schwierigkeiten und müsse daher eine Menge Überstunden machen. In der Wohnung hatten Esther Barbarov und Schell außer einem Kuvert mit sechshundert Euro, das in einer alten Zuckerdose steckte, keine Bargeldreserven entdeckt, so daß ein Mordmotiv in dieser Richtung vorerst entfiel.
    Außerdem hatten sich zwei Personen gemeldet, die behaupteten, Nele Schubart am Freitag nachmittag gegen sechzehn Uhr vor einer Apotheke in unmittelbarer Nähe der Heiglhofstraße gesehen zu haben.
    »Die Zeugin ist achtundsechzig und wohnt in der Pfingstrosenstraße«, sagte Emanuel Feldkirch, »die ist hier.« Er deutete auf den Stadtplan, den Weningstedt auf dem Tisch ausgebreitet hatte. »Der Fundort der Leiche ist fünf Minuten entfernt. Die Zeugin sagt, Nele sei ihr aufgefallen, weil sie so ein hübsches grünes Kleid trug und sich auf einer Bank gesonnt hat.«
    »Allein?« fragte Fischer.
    »Ganz sicher allein«, sagte Feldkirch. »Zuerst wollte die Zeugin sich herausreden, nach dem Motto, kann sein, ich hab mich doch getäuscht. Es paßte ihr nicht, daß ich nicht vor Begeisterung in Ohnmacht gefallen bin und nachgefragt habe. Nele war also allein, und sie aß ein Eis am Stiel.«
    »Und die Zeugin hat sie die ganze Zeit beobachtet?« fragte Esther.
    »Ungefähr eine Minute, dann ist sie in eine Bäckerei gegangen, und als sie wieder rauskam, war die Frau im grünen Kleid verschwunden.«
    »Warum erinnert sich die Frau an Nele?« fragte Liz. »Nur wegen des grünen Kleids?«
    Feldkirch beugte sich vor, um seine junge Kollegin am anderen Ende des Tisches besser sehen zu können. »Sie sagt, die junge Frau habe einfach so schön ausgesehen, in dem Kleid, in der Sonne; es war, sagt sie, ein madonnenhafter Anblick.«
    »Madonna ohne Kind«, sagte Schell.
    Neidhard Moll räusperte sich. »Und dann haben wir noch einen zweiten Zeugen«, sagte er, »und der erscheint mir noch interessanter. Ich habe vorhin eine halbe Stunde mit ihm telefoniert, er kommt in der Mittagspause zu uns. Er arbeitet in einer Bank, neunundzwanzig Jahre alt. Er sagt, er hat mit Nele Schubart gesprochen, sie sei ihm nervös, verwirrt vorgekommen. Anfangs war er überzeugt, daß sie betrunken war.«
    »Hat sie den Mann angesprochen?« fragte Fischer.
    »Ja. Sie fragte ihn, ob er eine Zigarette für sie habe.«
    Fischer und Esther Barbarov blätterten in ihren Zetteln.
    »Ihr braucht nicht nachzuschauen«, sagte Moll, »nach unserem bisherigen Wissensstand war sie Nichtraucherin. Ich habe noch mal im Kaufhaus und den Fahrlehrer angerufen; niemand hat sie je rauchen sehen.«
    »Bevor wir darauf zurückkommen«, sagte

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